Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Sperrzeit. Arbeitsaufgabe. Aufhebungsvertrag. wichtiger Grund. drohende betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung. objektive Rechtmäßigkeit. Vermeidung von Nachteilen
Orientierungssatz
Zum Vorliegen eines wichtigen Grundes gem § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 3 für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag, wenn eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers droht.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. August 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 01. Januar 2003 bis zum 25. März 2003.
Die 1968 geborene Klägerin war zuletzt seit dem 1. Mai 1990 als Angestellte bei der GSW Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft B mbH (im Folgenden: GSW) versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag vom 22. April 2002 zum 31. Dezember 2002 “auf Veranlassung der Arbeitgeberin zur Vermeidung einer ansonsten unumgänglichen ordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum gleichen Zeitpunkt" bei Zahlung einer Abfindung in Höhe von 20.000,00 € brutto; auf den Inhalt des Aufhebungsvertrages wird Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 14. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.März 2003 setzte die Beklagte eine Sperrzeit vom 1. Januar 2003 bis zum 25.März 2003 (12 Wochen) fest mit der Begründung, dass die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis bei der GSW durch Aufhebungsvertrag gelöst habe. Ein wichtiger Grund für das Verhalten der Klägerin habe nicht vorgelegen. Während der Sperrzeit ruhe der Anspruch auf Alg, der sich im Übrigen um 90 Tage mindere.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin eine Auskunft der GSW vom 26. Mai 2003 eingeholt, auf deren Inhalt verwiesen wird. Ferner ist die Betriebsvereinbarung zwischen der GSW und dem Betriebsrat zum sozialverträglichen Personalabbau vom 20.Dezember 2001 nebst Anlage beigezogen worden.
Mit Urteil vom 17. August 2004 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 01. Januar 2003 Alg zu gewähren. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Alg bereits ab 01. Januar 2003. Die Festsetzung der Sperrzeit von 12 Wochen für die Zeit vom 01. Januar 2003 bis zum 25. März 2003 durch die Beklagte sei rechtswidrig. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung dieser Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) seien nicht erfüllt. Die Klägerin sei zwar durch den Aufhebungsvertrag vom 22. April 2002 mit Ablauf des 31. Dezember 2002 zumindest grob fahrlässig arbeitslos geworden, weil sie kein Anschlussarbeitsverhältnis gehabt habe. Sie habe aber für den Abschluss des Aufhebungsvertrages einen wichtigen Grund gehabt. Ein derartiger wichtiger Grund liege dann vor, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unter Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden könne (Verweis auf BSG, Urteil vom 20. Januar 2000 - 7 AL 20/99 R -). Der Arbeitsplatz der Klägerin sei zum Ende des Jahres 2002 ersatzlos weggefallen. Die GSW habe bis zu diesem Zeitpunkt insgesamt 32 Arbeitsverhältnisse beendet. Der Stellenabbau sei auch danach fortgesetzt worden. In dieser betrieblichen Situation, die der Klägerin nur die Wahl zwischen Aufhebungsvertrag und betriebsbedingter Kündigung gelassen habe, habe sich die Klägerin für den Aufhebungsvertrag entschlossen, was verständlich gewesen sei. Denn eine Kündigungsschutzklage gegen die mit Sicherheit zu erwartende betriebsbedingte Kündigung sei aussichtslos gewesen.
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen diese Urteil. Sie trägt vor: Die Klägerin könne sich für ihr Verhalten nicht auf einen wichtigen Grund im Sinne des § 144 SGB III berufen. Die Zahlung einer Abfindung stelle keinen solchen wichtigen Grund dar. Auch das Erfordernis der Personalreduzierung für den Arbeitgeber könne bei der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses mit der Arbeitnehmerin im Rahmen eines betrieblichen Personalabbaus keinen wichtigen Grund darstellen. Es seien keine Anhaltspunkte erkennbar, dass bei Nichtabschluss eines Auflösungsvertrages zwischen der GSW und der Klägerin tatsächlich kein Ersatzarbeitsplatz vorhanden gewesen sei und der Klägerin daher tatsächlich gekündigt worden wäre. Etwas Anderes folge auch nicht aus der ergänzenden Auskunft der GSW vom 15. Dezember 2004. Danach seien Arbeitnehmerinnen mit einer ähnlichen Punktzahl bei der Sozialauswahl, wie sie die Klägerin erreicht habe (57 Punkte), erst im Jahr 2003 arbeitgeberseitig gekündigt worden. Somit sei davon auszugehen, dass die Klägerin unter Beachtung der Sozialauswahl wohl nicht bereits zum 31. Dezember 2002 hätte rechtmäßig gekündigt we...