Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit. Fortsetzungsfeststellungsklage. Feststellungsinteresse. Subsidiarität. beabsichtigte Schadensersatzklage. Erledigung vor Klageerhebung. Arbeitserlaubnis-EU

 

Orientierungssatz

1. Die Absicht, eine Schadensersatz- oder Amtshaftungsklage zu erheben, rechtfertigt nicht ein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungshandelns, das sich bereits vor Klageerhebung erledigt hat. In diesem Fall bedarf es keines Rechtsschutzes durch die (allgemeinen oder besonderen) Verwaltungsgerichte. Vielmehr kann - und muss - der Betroffene wegen des von ihm erstrebten Schadensersatzes sogleich das zuständige Zivilgericht anrufen, das auch die öffentlich-rechtlichen Vorfragen zu klären hat (vgl BVerwG vom 27.3.1998 - 4 C 14.96 = BVerwGE 106, 295 und vom 20.1.1989 - 8 C 30/87 = BVerwGE 81, 226).

2. Ein für die Feststellung vorausgesetztes schutzwürdiges Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein. Ein Feststellungsinteresse kommt in Betracht bei Vorgreiflichkeit, dh wenn die Entscheidung in einem anderen streitigen Rechtsverhältnis, wie zB einem Schadensersatz- oder einem Entschädigungsprozess bedeutsam sein kann, bei Wiederholungsgefahr sowie bei Rehabilitationsinteresse.

 

Normenkette

SGG § 131 Abs. 1 S. 3; VwGO § 113 Abs. 1 S. 4, § 43 Abs. 2 S. 1; BGB § 839 Abs. 1 Sätze 1-2; GG Art. 34 S. 1; SGB III § 284 Abs. 3, 5, § 286 Abs. 6 Fassung: 2004-07-30; FreizügG/EU § 5 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Ablehnung einer Arbeitserlaubnis-EU rechtswidrig, hilfsweise, dass sie unter Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden ist.

Die 1982 geborene Klägerin ist polnische Staatsangehörige. Sie hat einen Berufsabschluss zum Magister (Hochschuldiplom) im Studiengang Management Ökonometrie an der Fakultät für Mathematik, Informatik und Ökonomie der Universität Z am 8. Juli 2007 erlangt. Seit dem 26. November 2007 ist sie im Besitz einer Bescheinigung nach § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG-EU) des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin. Nach dieser Bescheinigung benötigte die Klägerin eine Arbeitserlaubnis- oder Arbeitsberechtigung-EU zur Aufnahme einer unselbständigen, arbeitsgenehmigungspflichtigen Erwerbstätigkeit.

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 23. Juni 2008 eine Arbeitsgenehmigung-EU ab Antragstellung für eine Tätigkeit als Assistenz der Geschäftsleitung des Unternehmens T, ein Service-Dienstleistungsunternehmen, das u. a. Visa- und Greencard Beratung für die USA zum Gegenstand hat(-te). Im Antrag gab sie an, dass sie seit 13. August 2007 in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft bzw. angemeldet sei. Ihre Arbeitgeberin erklärte, das Beschäftigungsverhältnis könne ab 23. Juni 2008 beginnen bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden/Woche. Die Klägerin habe als Teamassistenz Sekretariatsaufgaben, Buchhaltung, Recherchetätigkeiten, Marketing und Pflege der Webseite (www....de) auch für die polnische Sprache wahrzunehmen. Hierfür seien besondere Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten im IT-Bereich, ein abgeschlossenes Studium der Ökonomie/Informatik sowie die Befähigung zur polnischen Sprache erforderlich. Die Frage danach, ob Bereitschaft bestünde, bevorrechtigte Arbeitnehmer für die Tätigkeit einzustellen, wurde bejaht.

Nach einer Stellungnahme einer Vermittlungs-Beratungsfachkraft bei der Beklagten vom 30. Juli 2008, der ein Betriebskontakt vom selben Tage mit der Arbeitgeberin vorangegangen war, seien ausreichend bevorrechtigte Arbeitnehmer im eigenen Agenturbezirk und Tagespendelbereich vorhanden; die geforderte Qualifikation für die Stelle sei nicht nachvollziehbar. Der Stellungnahme waren fünf namentlich benannte Bewerberprofile von einer Dipl.-Betriebswirtin mit Erfahrungen als Mediaplanerin, einer Bankkauffrau/Kommunikationswissenschaftlerin u.a. mit PR-Erfahrung, einer Dipl.-Philosophin/Dipl.-Mathematikerin mit Erfahrung als Bürokraft/kaufmännische Fachkraft, einer Medien- und Kommunikationsdesignerin mit Erfahrung als Sekretärin und Bürokauffrau und einer Bewerberin mit mehreren Berufsabschlüssen (Master of Business Administration, Politologie ≪Master≫ und Slawistik/Russistik ≪Bachelor≫) beigefügt, von denen zwei Bewerberinnen gute bzw. sehr gute polnisch und u.a. weitere Sprachkenntnisse auswiesen. Mit Bescheid vom 1. August 2008 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Arbeitserlaubnis-EU ab. Die Prüfung des Arbeitsmarktes habe ergeben, bevorrechtigte deutsche und ihnen gleichgestellte ausländische Arbeitnehmer stünden für die beabsichtigte Beschäftigung zur Verfügung.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch vom 7. August 2008. Die bloße Gegenüberstellung der bevorrechtigten und vermittel...

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