Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung des Erstattungsanspruchs des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung gegen den zuständigen Träger der Versorgungslast nach § 225 Abs 1 SGB 6

 

Leitsatz (amtlich)

Die seit 2001 entstandenen Erstattungsansprüche des Rentenversicherungsträgers gegen den Träger der Versorgungslast nach § 225 Abs 1 SGB 6 verjähren gemäß der seit 1.7.2020 gültigen Fassung des § 2 Abs 4 S 1 VAErstV vom 12.6.2020 in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie angefordert werden sollen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 23.11.2022; Aktenzeichen B 5 R 88/22 B)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juni 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin) macht 89.792,09 Euro Aufwendungen geltend, die sie der am 1932 geborenen und am . 2013 verstorbenen A F (Versicherte) von 2001 bis 2010 als Teil der Rente gezahlt hat.

Nach den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen wurde die Versicherte geschieden. Mit Urteil des Amtsgerichts D vom 9. Oktober 1992 - Az: - wurden ihrem Rentenkonto aus einer beim Beklagten und Berufungskläger (im Folgenden: Beklagter) geführten Beamtenversorgung im Rahmen eines Quasi-Splitting 1.104,22 DM (26,6462 Entgeltpunkte) gutgeschrieben. Die Klägerin zahlte der Versicherten ab 1. Oktober 1992 bis zu deren Tod Rente.

Ende 27. Oktober 2016 forderte die Klägerin beim Beklagten Anteile aus Versicherungsleistungen bis einschließlich 31. Dezember 2015 für 25 Versicherte (insgesamt 351.576,99 Euro) an. Davon entfielen auf die Versicherte 118.308,84 Euro (109.696,89 Euro und 16.886,17 DM) für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2013. Der Beklagte erstattete davon 24.538,56 Euro für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2013 und lehnte die Erstattung von weiteren 89.792,09 Euro (für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2010) ab. Die Erstattungsansprüche aus der Zeit vor dem 1. Januar 2011 seien verjährt.

Die Klägerin hat am 18. Juni 2018 zu dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Ihre Forderung sei nicht verjährt. Sie verjähre vier Jahre nach Fälligkeit. Die Fälligkeit trete erst sechs Monate nach der Anforderung der Aufwendungen beim Beklagten durch sie, die Klägerin, ein. Dies ergebe sich aus der Verordnung über die Erstattung von Aufwendungen der Träger der Rentenversicherung im Rahmen des Versorgungsausgleichs (VAErstV). Ihre Anforderung datiere auf das Jahr 2016. Die dreijährige Verjährungsfrist des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sei nicht heranzuziehen. Die Forderung sei auch nicht verwirkt. Sie, die Klägerin, habe nie durch aktives Handeln den Eindruck erweckt, auf die Forderung verzichten zu wollen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Forderung verjährt sei. Die Auffassung der Klägerin führe dazu, dass Verjährung bei einer Erstattungsforderung praktisch nie eintreten könne. Dass Forderungen innerhalb von vier Jahren verjähren, sei im Sozialrecht ein allgemeiner Rechtsgedanke. Er sei auch hier beizubehalten. Die praktische Beseitigung der Verjährung sei im Wege einer normkonkretisierenden Verordnung nicht zulässig. Rechtssicherheit und Rechtsklarheit erforderten einen vom Tätigwerden des Rentenversicherungsträgers (der Klägerin) unabhängigen Verjährungsbeginn. Die Verwirkung ergebe sich hier daraus, dass die Klägerin entgegen ihrer sonstigen Praxis sechszehn Jahre lang keine Forderung angemeldet habe.

Das Sozialgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 17. Juni 2019 verurteilt, an die Klägerin 89.792,09 Euro zu zahlen. Der Anspruch ergebe sich aus § 225 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI). Er sei nicht verjährt. Nach der Verjährungsregelung § 2 Abs. 3 VAErstV trete Verjährung erst nach Fälligkeit ein. Fälligkeit trete erst nach Anforderung ein. § 113 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) sei nicht anwendbar, § 2 Abs. 4 Satz 1 VAErstV sei spezieller und damit vorrangig. Diese Verordnung sei durch die Ermächtigungsgrundlage in § 256 Abs. 1 SGB VI gedeckt.

Gegen dieses, ihm am 25. Juni 2019 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 25. Juli 2019 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er seinen bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Juni 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ihre Forderung sei weder verjährt noch verwirkt. Da sie als Organ der Exekutive an Recht und Gesetz gebunden sei, werde die Anforderungsfrist aus § 2 Abs. 1 VAErstV regelmäßig eingehalten. Ohnehin habe sie, da sie regelmäßig in Vorleistung gehe, grundsätzlich Interesse an einer schnellen Geltendmachung.

Unter dem 17. Februar 2022 wurden die Beteiligten vom Gericht darauf hingewiesen, dass die Verjährungsregelung in de...

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