Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Handels-/Versicherungsvertreter mit Tätigkeitsschwerpunkt Mitarbeiterschulung. Grundprovision in existenzsicherndem Umfang. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Statusabgrenzung bei einem Handels-/Versicherungsvertreter, dessen Tätigkeitsschwerpunkt auch in der Mitarbeiterschulung lag.
2. Erhält ein Erwerbstätiger monatlich ein garantiertes Entgelt in existenzsicherndem Umfang, liegt in der Möglichkeit, durch besondere Anstrengungen weitere erfolgsabhängige Vergütungsbestandteile „on top“ zu erwirtschaften, mangels Verlustgefahr kein unternehmerisches Risiko.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beigeladenen zu 1 gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2016 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auch der Bescheid der Beklagten vom 26. März 2019 aufgehoben wird.
Die Beigeladene zu 1 trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 bis 4, die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 15. Juli 2002 um die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund seiner Tätigkeit für die R AG (Beigeladene zu 1, im Folgenden: Beigeladene).
Der 1964 geborene Kläger ist gelernter Bankkaufmann und war in diesem Beruf bis 1987 tätig. Seit März 1988 verfügt er über eine Erlaubnis nach § 34c Gewerbeordnung (GewO). Seit diesem Jahr betreibt er - auf der Grundlage zweier Gewerbeanmeldungen - die Fa. V Management und ist als Handelsvertreter für verschiedene Vertragspartner, unter anderem Versicherungen und Banken, bzw. als Finanzdienstleister tätig. Nach eigenen Angaben trainiert er aufgrund einer 1995 absolvierten „Ausbildung zum Trainer“ „unterschiedliche Vertriebe in den Bereichen Rhetorik, Verkauf & Motivation“ und ist außerdem Gesellschafter-Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft VHG.
Mit der Beigeladenen schloss er unter dem 26. Oktober 1997 einen Grundvertrag mit unter anderem folgendem Inhalt:
„1. Der Finanzkaufmann [= d. Kl.] wird als selbständiger Handelsvertreter gemäß §§ 92, 84ff. HGB gerichtet auf die Vermittlung von Allfinanzangeboten für die R tätig sein.
Bestandteil und Inhalt dieses Grundvertrages sind die dem Finanzkaufmann übergebenen folgenden Anlagen:
A Provisionsleistungen und -Bedingungen
B […]
C Karriereplan
D Zusatzleistungen […]
Mündliche Nebenabreden sind neben diesen Vertrag nicht getroffen worden. Änderungen des Vertrages sowie auch der Vereinbarung der Schriftform bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
2. Der Finanzkaufmann wird seine Tätigkeit für die R entsprechend dem Karriereplan (Anlage C) beginnen
am: 01. 01. 1998
als: Regionaldirektionsleiter
3. Der Finanzkaufmann verpflichtet sich, die öffentlich-rechtlichen Vorschriften, insbesondere die Gewerbe- und Steuerrichtlinien Bestimmungen in eigener Verantwortung zu erfüllen.“
4. Im übrigen gelten folgende besonderen Vertragsbedingungen:
b) Während der Vertragsdauer ist es dem Finanzkaufmann untersagt, selbst oder durch Dritte für einen Mitwettbewerber der R oder deren Partnergesellschaften tätig zu sein sowie in gleicher Weise sich an einem Konkurrenzunternehmen der R oder deren Partnergesellschaften zu beteiligen, Mitarbeiter oder Kunden der R oder deren Partnergesellschaften abzuwerben, deren Kündigung des Vertrages mit der R in irgendeiner Weise zu fördern oder zu unterstützen sowie ohne schriftliche Genehmigung der R eine anderweitige Vermittlung- oder Verkaufstätigkeit auszuüben. Soweit der Finanzkaufmann sonstige Erwerbstätigkeiten ausüben will, sind diese der R schriftlich anzuzeigen. Bei Zuwiderhandlung gegen eine dieser Bestimmungen verliert der Finanzkaufmann, ohne daß hierdurch weitere Rechte der R ausgeschlossen werden, seinen Vergütungsanspruch für solche Geschäfte, die er nach diesem jeweiligen Verstoß getätigt hat. Unabhängig davon ist der verpflichtet, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gegen vorstehende Bestimmungen an die R eine Vertragsstrafe in Höhe von DM 5.000,00 zu zahlen. […]
c) Der Finanzkaufmann ist berechtigt und verpflichtet, sich in allen geschäftlichen Angelegenheiten, die sich auf seine Tätigkeit für die R und deren Produktpartner beziehen, als Angehöriger der R-Organisation auszuweisen. Auf diese Weise bewirkt er durch korrekte und qualifizierte Kundenbetreuung eine Manifestation des Ansehens und Rufes von R, von dem er auch selbst im eigenen geschäftlichen Interesse sodann profitiert. Geschäftsbriefe, Visitenkarten des Finanzkaufmannes sind über R zum Selbstkostenpreis zu beziehen und einheitlich zu verwenden.
Der Finanzkaufmann ist jedoch nicht befugt, im Geschäftsverkehr den Anschein zu erwecken, daß seine Zugehörigkeit zu R in irgendeiner Weise unmittelbar Vertragsbeziehungen zwischen dem Kunde...