Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung. Nachentrichtung von Beiträgen nach den Regelungen zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts. Voraussetzung der Anspruchsverwirkung bei Untätigkeit und fehlender Mitwirkung. Zweijahresfrist
Orientierungssatz
1. Die bloße Untätigkeit (Schweigen) eines Berechtigten hat allein noch keine Verwirkung seines Rechts (hier: des Nachentrichtungsrechts) zur Folge, auch nicht eine längere, selbst mehrjährige Untätigkeit. Hinzu kommen muss vielmehr bei dem anderen Beteiligten des Rechtsverhältnisses, dass er sich im Vertrauen darauf, dass das Recht nicht mehr geltend gemacht (ausgeübt) werde, in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BSG, Urteil vom 28.04.1987 - 12 RK 14/85).
2. Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz, dass derjenige, der aus einer Rechtsbeziehung Ansprüche oder Rechte herleitet, bei der Gestaltung des Rechtsverhältnisses (hier: Beitragsnachentrichtung gemäß §§ 21, 22 WGSVG) mitzuwirken hat, soweit dessen Begründung, Änderung oder Konkretisierung das erfordert. Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen hat sich der Antragsteller, sofern er bis dahin keine Nachricht vom Versicherungsträger erhalten hat, spätestens zwei Jahre nach der Antragstellung nach dem Stand des Verfahrens zu erkundigen. Andernfalls muss sich der Antragsteller so behandeln lassen, als hätte er das Antragsverfahren ordnungsgemäß weiterbetrieben.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. August 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Berufungsklägerin als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes MD(Versicherter) zur Nachentrichtung von Beiträgen nach § 21 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) berechtigt ist. Vorrangig wird darüber gestritten, ob dieses Recht verwirkt ist.
Bereits mit einem Bescheid vom 28. Dezember 1981 war dem Versicherten die Nachentrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland bewilligt worden. Von diesem Recht hat er keinen Gebrauch gemacht.
Mit Bescheid vom 28. Februar 1986 lehnte die Beklagte einen Antrag vom 14. August 1984 auf Zulassung zur außerordentlichen Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung nach Art. 12 der Durchführungsvereinbarung (DV) zum deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommen (DISVA) ab. Zur Begründung führte sie aus, der Antrag sei verspätet, da der Nachentrichtungsantrag spätestens bis zum 13. Juni 1983 zu stellen gewesen wäre. Dem hiergegen gerichteten Widerspruch blieb mit zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 1987 der Erfolg versagt.
Mit weiterem Bescheid vom 05. November 1987 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 1988 lehnte die Beklagte die Bewilligung eines Altersruhegeldes ab, da die Wartezeit nicht erfüllt sei.
Mit Schreiben vom 22. August 1988 bemängelte der Versicherte, dass dem Bescheid vom 28. Dezember 1981 eine unrichtige Angabe über die Teilzahlungsfrist beigefügt gewesen sei. Mit Bescheid vom 12. September 1988 ließ die Beklagte den Kläger nach Art. 2 § 49 a Abs. 2 des Angestelltenversicherungsneuregelungsgesetzes (AnVNG) zur Nachentrichtung von Beiträgen für die Zeit von 1956 bis 1973 in Höhe von 16.156,80 DM zu. Die Finanzierung des Nachentrichtungsbetrages erfolgte über die BG Financing Ltd. auf der Isle of Man, die Beklagte genehmigte die Abtretung der Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung zur Sicherung dieses Darlehens (Bescheid vom 24. April 1989).
Mit Rentenbescheid vom 24. Juli 1989 gewährte die Beklagte dem am 21. März 1920 geborenen Versicherten ab 01. Juli 1988 ein Altersruhegeld in Höhe von monatlich 405,50 DM (ab 01. September 1989). Von diesem Betrag wurden 240 DM an den Kreditgeber und 165,50 DM an den Versicherten ausgezahlt.
Mit Schreiben vom 26. November 1990 (Eingang bei der Beklagten) beantragte der Versicherte auf einem Formularantrag die Anerkennung von Fremdbeitragszeiten, die Anerkennung von Ersatzzeiten, die Nachentrichtung bei Beiträgen bzw. die Neugestaltung der bisherigen Nachentrichtung nach §§ 21, 22 WGSVG bei Gewährung einer Teilzahlung von einem Jahr, die freiwillige Weiterversicherung, die Gewährung einer Rente sowie eine Neuberechnung von Fristen.
Mit Schreiben vom 13.September 1991 an die Bevollmächtigten des Versicherten teilte die Beklagte mit, dass Fremdrentenzeiten nach § 17 a Fremdrentengesetz (FRG) für die insoweit zwischen den Beteiligten unstreitigen Zeiten vom 30. August 1946 bis 17. Januar 1957 vorgemerkt werden könnten. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 21. Oktober 1991 mitgeteilt hatte, dass die in Aussicht gestellte Anerkennung von Fremdrentenzeiten auf einem Irrtum beruht ...