Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung des Auslandszuschlags eines Bundesbeamten im Auslandsdienst bei dessen Beitragsbemessung in der freiwilligen Krankenversicherung

 

Orientierungssatz

1. Der Beitrag eines freiwillig Krankenversicherten ist gemäß § 240 Abs. 1 S. 2 SGB 5 nach dessen gesamter wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit festzusetzen. Dabei ist zu unterscheiden, ob dessen Einnahmen dem Bestreiten des Lebensunterhalts zugeordnet werden können oder ausnahmsweise eine besondere eigenständige Zweckbestimmung außerhalb des allgemeinen Lebensunterhalts aufweisen (BSG Urteil vom 10. 10. 2017, B 12 KR 16/16 R).

2. Der Auslandszuschlag gehört zu den beitragspflichtigen Einnahmen i. S. von § 240 SGB 5 i. V. m. § 3 Abs. 1 S. 1 Beitragsverfahrensgrundsätze (BeitrVerfGrsSz). Nach § 1 Abs. 2 Nr. 6 BBesG gehört die Auslandsbesoldung zu den Dienstbezügen und diese gehören wiederum zur Besoldung. Einnahmen und Geldmittel sind der Beitragsberechnung ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen, wenn sie für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, § 3 Abs. 1 S. 1 BeitrVerfGrsSz.

3. Weil gemäß § 53 Abs. 1 BBesG der Auslandszuschlag den materiellen Mehraufwand sowie die allgemeinen und dienstbezogenen immateriellen Belastungen der allgemeinen Verwendung im Ausland abgelten soll, ist er bei der Beitragsbemessung eines freiwillig Krankenversicherten nach § 240 SGB 5 zu berücksichtigen.

4. Die Verbeitragung des Auslandszuschlags ist verfassungsgemäß. Insbesondere ist Art. 3 Abs. 1 GG durch die gesetzliche Regelung nicht verletzt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 24.03.2021; Aktenzeichen B 12 KR 96/20 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung im Hinblick auf den dem Kläger aufgrund seiner Tätigkeit beim Auswärtigen Amt in den Kalenderjahren 2011 bis 2015 gewährten Auslandszuschlag.

Der 1970 geborene Kläger ist bei der Beklagten zu 1) seit 1997 als freiwilliges Mitglied krankenversichert und bei der zu 2) beklagten Pflegekasse sozial pflegeversichert. Er war und ist mit wechselnden Auslandsaufenthalten als beihilfeberechtigter Bundesbeamter ohne Heilfürsorge beim Auswärtigen Amt zuletzt in der Besoldungsgruppe A 8 beschäftigt. Seine Angehörigen - die Ehefrau und seine seinerzeit minderjährige Tochter - waren über ihn familienversichert.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) und 2), die AOK Rheinland, stellte für die Zeit ab August 2005 die Beiträge des Klägers zur Kranken- und Pflegeversicherung ohne Berücksichtigung des bereits zu jenem Zeitpunkt neben dem Grundgehalt der Besoldungsgruppe A6 bezogenen Auslandszuschlags fest (Bescheid vom 26. August 2005). Für die Zeit ab 2006, 2007 und 2008 berücksichtigte sie mit nachfolgenden Bescheiden den Auslandszuschlag mit der Folge, dass sie von den jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen 2006, 2007 bzw. 2008 ausging. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hob mit Urteil vom 8. März 2011 - L 1 (16) KR 237/09 - (vgl. juris) die die Beitragsjahre 2006 bis 2008 betreffenden Bescheide mit der Begründung auf, bei dem Bescheid vom 26. August 2005 handle es sich um einen rechtswidrigen, begünstigenden Verwaltungsakt, weil bei der Berechnung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge der Auslandszuschlag zu Unrecht vor 2006 nicht berücksichtigt worden sei. Der Auslandzuschlag decke den materiellen Mehraufwand sowie allgemeine und dienstortbezogene immaterielle Belastungen der allgemeinen Verwendung im Ausland ab, sodass es sich um eine Einnahme handele, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden könne. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakts vom 26. August 2005, die aus Gründen des Vertrauensschutzes nur mit Wirkung für die Zukunft in Betracht komme, seien indes nicht beachtet worden.

Die Beklagte zu 1) hob mit Bescheid vom 9. Mai 2011, der bestandskräftig wurde und zugleich für ihre Pflegekasse, die Beklagte zu 2) erging (nachfolgend einheitlich: Beklagte), den Bescheid vom 26. August 2005 mit Wirkung für die Zukunft auf.

Nach zunächst vorläufiger Festsetzung mit Bescheid vom 20. Mai 2011 setzte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Juli 2011 die Beiträge ab dem 1. Januar 2006, 1. Januar 2007, 1. Januar 2008, 1. Januar und 1. Juli 2009, 1. Januar 2010, 1. Januar und 11. Mai 2011 gegenüber dem Kläger neu fest. Insofern berücksichtigte sie bei der Beitragsbemessung erstmalig für die Zeit ab 11. Mai 2011 neben dem Grundgehalt der Gehaltsgruppe A7 und den gesetzlichen Zulagen den dem Kläger gezahlten Auslandszuschlag und wies neue Monatsbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 575,44 € bzw. 36,20 € (insgesamt 611,64 €) unter Zugrundelegung d...

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