Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsförderung. Arbeitslosengeldanspruch. Erfüllung der Anwartschaftszeit. Auslandsbeschäftigung in der Schweiz. Prüfung der Eigenschaft eines unechten Grenzgängers. Familienheimfahrten. kein unechter Grenzgänger

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Prüfung der Grenzgängereigenschaft i.S.d. VO (EG) Nr 883/2004 kommt es auf die Umstände, warum der im Ausland Beschäftigte nicht häufiger Familienheimfahrten unternommen hat, grundsätzlich nicht an.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 22.06.2021; Aktenzeichen B 11 AL 5/21 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. März 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld ab dem 1. Januar 2016. Umstritten ist die Frage, ob er durch eine Beschäftigung in der Schweiz die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Der 1969 geborene und seit zumindest 1981 in B gemeldete Kläger schloss 1985 seine Schulbildung mit der Mittleren Reife und 1988 eine Ausbildung zum Straßenbauer ab. Er war anschließend bis 2001 überwiegend als Straßenbauer und - nach einer entsprechenden Fortbildung - bis November 2007 als Busfahrer beschäftigt, musste diese Tätigkeit jedoch nach eigenen Angaben aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Nach einer auf Kosten des Rentenversicherungsträgers von März 2008 bis Juni 2010 absolvierten Ausbildung zum Flugzeugmechaniker übte er diesen Beruf anschließend bis Ende Januar 2012 in Deutschland aus.

Von Februar 2012 bis Juni 2015 - davon bis Oktober 2012 im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung - war der Kläger als Service- bzw. Kabinenmechaniker für die S (Z) in der Schweiz versicherungspflichtig beschäftigt. Sein unbefristetes Arbeitsverhältnis (Anstellungsvertrag vom 10. September 2012) wurde arbeitgeberseitig im Hinblick auf ein eingeleitetes Strafverfahren wegen Diebstahls am Arbeitsplatz zum 16. Juni 2015 fristlos aufgelöst. Der Kläger war vom 1. September 2012 bis zum 30. September 2015 in der Stadt K (Kanton Z) gemeldet und bewohnte dort seit dem 1. Dezember 2012 auf der Grundlage eines unbefristeten Mietvertrages eine 2-Zimmer-Wohnung. Ebenfalls seit September 2012 verfügt er über eine Schweizer Aufenthaltsbewilligung bis Januar 2021.

Der Kläger meldete sich - so seine Angaben - zunächst in der Schweiz arbeitslos, erhielt dort eine Sperrfrist von 8 Wochen und entschloss sich Mitte/Ende August 2015, wegen fehlender Erfolgsaussichten bei der Arbeitsplatzsuche in der Schweiz nach Deutschland zurückzukehren.

Unter Verwendung des Vordrucks PD U2 bescheinigte das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) Z unter dem 23. September 2015, dass der Kläger ihm gegenüber einen Anspruch auf Arbeitslosenleistungen für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2015 habe, welche grundsätzlich gezahlt werden könnten, wenn sich der Kläger bis spätestens zum 8. Oktober 2015 bei der Arbeitsverwaltung des Staates, in dem er Arbeit suche, gemeldet habe. Unter Verwendung des Vordrucks U009 bescheinigte die Beklagte, dass der Kläger sich am 5. Oktober 2015 arbeitssuchend gemeldet habe.

Der Kläger meldete sich bei der Beklagten am 22. Januar 2016 zum 1. Januar 2016 arbeitslos. Auf dem Zusatzblatt „Prüfung Grenzgänger - Eigenschaft“ gab der Kläger unter anderem an,

- die Beschäftigung in der Schweiz sei nicht von vornherein befristet gewesen und habe weder einem zeitlich begrenzten Zweck noch seiner beruflichen Weiterbildung und der Verbesserung seiner Sprachkenntnisse gedient,

- er habe während des Arbeitsverhältnisses seinen Wohnsitz in Deutschland aufrechterhalten,

- er sei während des Arbeitsverhältnisses ca. fünfmal jährlich nach Deutschland zurückgekehrt,

- seine Familie habe sich während seiner Beschäftigung in der Schweiz weiterhin in Deutschland aufgehalten,

- er habe während der Beschäftigung im Ausland keine gesellschaftlichen und beruflichen Kontakte in Deutschland aufrechterhalten, seine Kontakte in der Schweiz seien vielmehr auf einen dauerhaften Aufenthalt angelegt gewesen,

- er habe in der Schweiz eine 2-Zimmer-Wohnung bewohnt, dort seinen Hausstand eingerichtet, seinen Lebensmittelpunkt in K (Schweiz) gehabt und sich in Urlaubszeiten in der Regel in B aufgehalten.

Mit Bescheid vom 27. Januar 2016, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2016, lehnte die Beklagte den „Antrag vom 1. Januar 2016“ ab, weil der Kläger die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Die Zeiten seiner Beschäftigung in der Schweiz könnten nicht berücksichtigt werden, weil er auf der Grundlage seiner Angaben nicht als unechter Grenzgänger anzusehen sei.

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgebracht, entgegen der ihm zu Beginn seiner Ausbildung zum Flugzeugmechaniker gegebenen Informationen sei der Arbeitsmarkt für diesen Beruf schwierig. Zum einen gebe es nur in Städten mit Flughafen Arbeitsmöglichkeiten, zum anderen sei die Luftfahrtbranche wegen des harten Preiskampfes von immer weitergehenden Einsparunge...

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