Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung: Voraussetzung der Familienversicherung bei einem volljährigen Kind. Verlängerung der Versicherungsdauer bei Ableistung eines Grundwehrdienstes vor Aufnahme eines Studiums

 

Orientierungssatz

Die Höchstgrenze der Versicherung in der Familienversicherung zur gesetzlichen Krankenversicherung während des Betreibens eines Studiums ist auch dann um die Dauer eines Grundwehrdienstes zu verlängern, wenn dieser vor Aufnahme des Studiums absolviert wurde, soweit die Ableistung des Dienstes zumindest wesentliche Mitursache für die Verzögerung der Aufnahme des Studiums war.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 29. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2012 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, die Familienversicherung des Klägers bis zum 8. Dezember 2012 zu verlängern. Für den Zeitraum vom 9. März 2012 bis 8. Dezember 2012 gezahlte Krankenkassenbeiträge sind zu erstatten.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist das Bestehen einer Familienversicherung.

Die Eltern des 1987 geborenen Klägers sind bei der Beklagten versichert. Im Juni 2006 legte der Kläger sein Abitur ab. Vom 1. Oktober 2006 bis zum 30. Juni 2007 leistete er Grundwehrdienst. Anschließend leistete er bis zum 30. September 2008 weiterhin Wehrdienst, zuletzt als Soldat auf Zeit. Zum 1. Oktober 2008 wurde der Kläger an der Technischen Universität B als Student für den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen eingeschrieben. Zum Wintersemester 2010/2011 immatrikulierte er sich an der B Hochschule für Technik B in dem Studiengang Elektronik und Kommunikationssysteme.

Durch Bescheid vom 29. Februar 2012 stellte die Beklagte fest, dass die Familienversicherung des Klägers mit Vollendung des 25. Lebensjahres zum 8. März 2012 ende. Eine Verlängerung um die Zeit einer gesetzlichen Dienstpflicht sei nur möglich, wenn die Schul- oder Berufsausbildung durch die Erfüllung der Dienstpflicht unterbrochen oder verzögert wurde. Die Aufnahme des Studiums sei aber nicht durch den Grundwehrdienst verzögert worden, da dieser von Oktober 2006 bis Juni 2007 geleistet und das Studium erst im Oktober 2008 aufgenommen worden sei.

Der Kläger legte Widerspruch ein. Der Anspruch auf Verlängerung der Familienversicherung knüpfe allein daran an, dass eine Ausbildung über das 25. Lebensjahr hinausgehe und ihr Abschluss durch einen gesetzlichen Pflichtdienst verzögert worden sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 26. September 2012 zurück, der dem Kläger am 25. Oktober 2012 zugestellt wurde. Mit der Verpflichtung als Soldat auf Zeit habe der Kläger nicht die Absicht gehabt, seinen Ausbildungsweg direkt nach dem Abitur fortzusetzen. Somit fehle es an dem kausalen Zusammenhang zwischen dem Schulabschluss und der Verzögerung/Verlängerung der Ausbildung durch die Ableistung der gesetzlichen Dienstpflicht.

Dagegen richtet sich die am 23. November 2012 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage, mit der die Verlängerung der Familienversicherung um den Zeitraum der Ableistung des Grundwehrdienstes begehrt worden ist. Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 27. Mai 2015 abgewiesen. Der Kläger sei nicht mehr familienversichert. Der Zeitraum einer Familienversicherung werde nur durch eine laufende Ausbildung bis zum 25. Geburtstag verlängert. Grundsätzlich komme es nicht darauf an, bis wann ein Abschluss der Ausbildung zu erwarten sei. Eine Verlängerung der Familienversicherung über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus sei im Gesetz nur vorgesehen bei Verzögerung oder Unterbrechung der Ausbildung aufgrund einer gesetzlichen Dienstpflicht. Nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urteil v. 5. November 1974 - 4 RJ 37/73) komme es darauf an, ob die Ausbildung gerade durch die Ableistung des Wehrdienstes unterbrochen oder verzögert wurde. Eine auf einer freiwilligen Entscheidung beruhende Unterbrechung der Ausbildung reiche nicht, was eigentlich auch für die Fälle einer freiwilligen Verlängerung des Wehrdienstes gelte. Insoweit sei allerdings mit dem BSG zu differenzieren, dass eine lediglich kurzfristige Verlängerung des Wehrdienstes nicht als erhebliche freiwillige Unterbrechung der Ausbildung anzusehen sei. Denn ein kurzfristiges Wehrdienstverhältnis auf Zeit werde regelmäßig nur eingegangen, weil anderenfalls die Wehrpflicht nach dem Wehrpflichtgesetz zum Zuge komme. Die freiwillige Entscheidung für eine Unterbrechung rücke jedoch umso mehr in den Vordergrund, als die Dauer der Dienstverpflichtung über die des Grundwehrdienstes hinausgehe. Für die Gewährung einer Waisenrente habe das BSG entschieden, dass keine Schutzbedürftigkeit über das 25. Lebensjahr hinaus bestehe, wenn die Dauer der freiwilligen Verpflichtung mehr als drei Jahre betragen habe. Diese Frist sei keine absolu...

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