Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz. Schutzgesetz. Meldepflichten des Arbeitgebers

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 28 a Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, der Einzugsstelle bei Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung eines Arbeitnehmers eine Meldung durch gesicherte und verschlüsselte Datenübertragung zu erstatten, ist ein "Schutzgesetz" im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB, denn die Meldevorschriften wollen die gesetzlichen Krankenkassen auch gegen die Inanspruchnahme durch nicht mehr berechtigte Personen schützen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2005 aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.512,78 Euro nebst fünf Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. März 2004 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadenersatz nebst Zinsen.

Frau S war bis zum 31. Dezember 2000 bei dem Beklagten sozialversicherungspflichtig beschäftigt und aufgrund dieser Beschäftigung bei der Klägerin krankenversichert. Erst am 11. Dezember 2001 meldete der Beklagte der Klägerin das Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung rückwirkend zum 31. Dezember 2000. Seit dem 1. Januar 2001 bezog S. laufend Sozialhilfe.

In Unkenntnis der Beendigung des Versicherungsverhältnisses zum 31. Dezember 2000 übernahm die Klägerin Kosten für im September 2001 bei S. eingegliederten Zahnersatz in Höhe von 6.870,41 DM (= 3.512,78 Euro).

Die Klägerin hielt sich wegen einer Erstattung der Kosten zunächst an S. und an das Sozialamt, hatte damit jedoch keinen Erfolg bzw. nahm davon Abstand, ihre Forderung gegen diese zu richten.

Mit Schreiben vom 7. Mai 2003 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung von 3.565,82 Euro (3.512,78 Euro für Zahnersatz zuzüglich 53,04 Euro für eine Kniebandage) bis zum 12. Juni 2003 auf. Durch die verspätete Abmeldung sei ein Schaden in dieser Höhe entstanden, für den der Beklagte aufkommen müsse.

Nachdem der Beklagte hierauf nicht reagiert hatte, hat die Klägerin am 11. März 2004 Leistungsklage wegen der Zahlung von 3.512,78 Euro erhoben. Das Sozialgericht hat den Rechtsweg nicht als eröffnet angesehen und die Sache an die ordentliche Gerichtsbarkeit verwiesen. Der Senat hat auf die Beschwerde der Klägerin jedoch den Verweisungsbeschluss aufgehoben und den Sozialgerichtsweg als eröffnet angesehen.

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgebracht, ein Schadenersatzanspruch ergebe sich aus § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. §§ 28 a und 28 c Sozialgesetzbuch, Viertes Buch (SGB IV) sowie § 8 der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung (DEÜV). § 28 a SGB IV und § 8 DEÜV seien im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB Schutzgesetze zugunsten des Versicherungsträgers. Die Pflicht zur Abmeldung des Versicherten innerhalb von sechs Wochen nach Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung solle den Versicherungsträger gerade in die Lage versetzen festzustellen, ob die Versicherung weiter bestehe oder nicht, um die unberechtigte Inanspruchnahme von Leistungen zu Lasten der Versichertengemeinschaft zu verhindern. Aufgrund der verspäteten Abmeldung der S. seien Leistungen ohne Verpflichtung erbracht worden. Der Schaden gehe kausal auf die verspätete Abmeldung zurück.

Mit Urteil vom 18. November 2005 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, eine öffentlich-rechtliche Anspruchsnorm sei nicht erkennbar und lasse sich insbesondere nicht den §§ 28 ff. SGB IV entnehmen. Ob die Klägerin einen Anspruch aus § 823 BGB habe, sei nicht zu beurteilen; die Kammer sei auf eine Prüfung öffentlich-rechtlicher Ansprüche beschränkt.

Gegen das ihr am 1. Februar 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Februar 2006 Berufung eingelegt. Sie verfolgt ihr Begehren weiter und vertieft zur Begründung ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. November 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 3.512,78 Euro nebst fünf Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. März 2004 zu zahlen.

Der Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert. Nach Ermittlungen des Gerichts ist er unbekannten Aufenthalts. Die Terminsladung ist ihm öffentlich zugestellt worden.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat durfte in Abwesenheit des Beklagten verhandeln und entscheiden. Der Beklagte war ordnungsgemäß mit öffentlicher Zustellung geladen. Die Ladung enthielt den Hinweis darauf, dass auch bei Ausbleiben der Beteiligten verhandelt und entschieden werden darf (§ 126 Sozialgerichtsg...

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