Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen für Unterkunft und Heizung Ende 2007 bis Anfang 2009. Abstrakte Angemessenheit. Berliner Mietspiegel 2007. Konkrete Angemessenheit
Orientierungssatz
1. Entgegen dem Wortlaut gilt § 22 Abs. 1 S. 3 SGB 2 nicht nur für Aufwendungen für die Unterkunft, sondern auch für die Aufwendungen für Heizkosten.
2. Die Prüfung der Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung hat getrennt von der für die Unterkunft und nach eigenen Regeln zu erfolgen. Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung ist so lange zu bejahen, wie die Kosten unter dem Grenzbetrag eines bundesweiten oder kommunalen Heizspiegels liegen, der abhängig von der jeweiligen Heizungsart, der Wohnanlagengröße und der abstrakt angemessenen Quadratmeterzahl ein eklatant kostspieliges bzs. unwirtschaftliches Heizen indiziert, wobei jedoch bei einer Warmwasserbereitung über die Heizung der Anteil, der für die Warmwasserbereitung im Rahmen der Haushaltsenergie in der Regelleistung enthalten ist, abgezogen werden muss.
3. Von den Aufwendungen für die Unterkunft i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 werden alle Zahlungsverpflichtungen erfasst, die sich aus dem Mietvertrag für die Unterkunft ergeben. Dazu zählen neben der geschuldeten Nettokaltmiete auch die Vorauszahlungen für die kalten Betriebskosten. Die abstrakte Angemessenheit der Unterkunftskosten ist in einem mehrstufigen Verfahren nach Maßgabe der sogenannten Produkttheorie, also dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und der Summe von angemessener Nettokaltmiete pro qm und angemessenen kalten Betriebskosten pro qm zu ermitteln.
4. Erster Prüfschritt ist die Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße. In einem zweiten Schritt ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen. Dann muss der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis ermittelt werden, wobei ein einfacher im unteren Marktsegment liegender Standard zugrunde zu legen ist. Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist im konkreten Vergleichsraum eine angemessene Wohnung anzumieten. Zur Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 können qualifizierte Mietspiegel im Sinne des § 558d BGB herangezogen werden.
5. Die Übernahme abstrakt unangemessener Kosten ist gemäß § 22 Abs. 1 S. 3 SGB 2 auf einen begrenzten Zeitraum angelegt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auf Grundlage der konkreten Angemessenheitsprüfung dauerhaft höhere Kosten als die abstrakten Referenzkosten zu übernehmen sind. Unangemessen hohe Kosten für Unterkunft werden aber auch bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen nicht zu angemessenen Kosten.
6. Das System der Bestimmung der abstrakten Kosten impliziert, dass es im Ergebnis regelmäßig auch konkret möglich ist, eine kostenangemessene Wohnung zu finden. Auf einen für Hilfebedürftige nicht zugänglichen Wohnungsmarkt dürfen sich die Ermittlungen im Hinblick auf die abstrakt angemessenen Kosten nicht beziehen.
7. Das Aufrechterhalten des sozialen Umfelds, eine affektive Bindung an einen bestimmten Stadtteil oder allgemein das Lebensalter stehen einem Umzug zur Kostensenkung nicht entgegen.
8. Einer Absenkung der Leistungen für Unterkunft auf die angemessene Höhe der Aufwendungen hat in der Regel in Kostensenkungsverfahren voranzugehen. Grundsätzlich ist es ausreichend, wenn in der Kostensenkungsaufforderung der als angemessen angesehen Mietpreis angegeben wird. Nicht aber trifft den Grundsicherungsträger von vornherein eine weitergehende Verpflichtung, den Hilfeempfänger darüber aufzuklären, wie und in welcher Weise die Kosten auf den seiner Auffassung nach angemessenen Betrag gesenkt werden könnten oder welche Wohnungen dieser anmieten könne.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. Juni 2009 aufgehoben, soweit der Beklagte darin verpflichtet worden ist, der Klägerin Kosten der Unterkunft und Heizung unter Abänderung der Bescheide vom 25. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. August 2007, vom 23. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2008 und vom 06. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2008 für die Zeit vom 01. Oktober 2007 bis zum 30. September 2008 in Höhe von 401,22 EUR monatlich und für die Zeit vom 01. Oktober 2008 bis zum 28. Februar 2009 in Höhe von 455,00 EUR monatlich zu gewähren; die Klagen werden auch insoweit abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten nur noch für die Zeit vom 01. Oktober 2007 bis zum 28. Februar 2009 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 bzw Satz 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der im maßgeblichen Zeitraum jeweils geltenden Fassung (im Folgenden ohne Zusatz zitiert), und z...