Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung der angemessenen Kosten der Wohnung. Schonfrist nach Kostensenkungsaufforderung

 

Orientierungssatz

1. Die Angemessenheit der Kosten für die Unterkunft gemäß § 22 SGB 2 bestimmt sich nach der angemessenen Wohnungsgröße, dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum unter Berücksichtigung eines einfachen Wohnungsstandards sowie danach, ob eine Wohnung zu dieser abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft auch tatsächlich angemietet werden kann.

2. Für Berlin gilt eine Wohnfläche von 50 qm für eine Person und von 60 qm für zwei Personen als angemessen.

3. Ist ein qualifizierter Mietspiegel vorhanden, so ist dieser Grundlage für die Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs. 1 SGB 2.

4. Neben der Nettokaltmiete sind die angemessenen Betriebskosten i. S. des § 556 BGB, mit Ausnahme der Heizkosten, abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen.

5. § 22 Abs. 1 S. 3 SGB 2 begründet eine Obliegenheit des Leistungsberechtigten zur Kostensenkung, wenn die tatsächlichen Kosten höher als die angemessenen Kosten sind. Es besteht eine Schonzeit von regelmäßig längstens sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Erfordernisses von Kostensenkungsmaßnahmen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 203,73 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Juni 2012 bis 31. Juli 2012.

Die 1961 geborene Klägerin bewohnt seit 16. November 1997 eine 61,3 m2 große Wohnung A in B. Die Wohnung gehört zu einem Gebäude, dessen beheizbare Grundfläche 4348,28 m2 beträgt. Sie wird mittels Fernwärme beheizt. Das Warmwasser wird mit Strom aufbereitet. Nach dem Mietvertrag vom 3. November 1997 beträgt die Kündigungsfrist zwölf Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums zehn Jahre vergangen sind.

Mit Bescheiden vom 28. Juli 2008 hatte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 15. Juli 2008 bis 31. August 2008 bzw. vom 1. September 2008 bis 28. Februar 2009 bewilligt, wobei die Kosten für Unterkunft und Heizung von seinerzeit 512,14 Euro monatlich in vollem Umfang übernommen worden waren.

Mit Schreiben vom 18. August 2008 hatte der Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass als angemessene Unterkunftskosten (Bruttowarmmiete) für einen Einpersonenhaushalt 360,00 Euro gelten. Die Kosten der Klägerin überschritten diesen Wert, so dass sie nicht auf Dauer übernommen werden könnten. Die Klägerin müsse daher ihre Aufwendungen durch Untervermietung, Eigenbeteiligung oder Wohnungswechsel senken. Die tatsächlichen Aufwendungen könnten damit für einen Zeitraum von längstens sechs Monaten bis zum 28. Februar 2009 übernommen werden.

Nach Aufnahme einer Beschäftigung als Lehrerin beim zum 5. September 2008, die die Klägerin bis 28. Februar 2009 ausübte, und der sich vom 1. März 2009 bis 30. August 2009 der Bezug von Arbeitslosengeld nach dem SGB III anschloss, hatte der Beklagte mit Bescheiden vom 12. Januar 2009 die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen mit Wirkung vom 1. September 2008 wegen Wegfalls der Hilfebedürftigkeit aufgehoben.

Auf den im August 2009 gestellten Antrag hatte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 9. September 2009 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010 bewilligt, wobei als Kosten für Unterkunft und Heizung 378,00 Euro statt der tatsächlichen damaligen Kosten von 530,86 Euro gewährt worden waren. Der dagegen eingelegte Widerspruch war mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2009 zurückgewiesen und die dagegen eingelegte Klage war mit Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Februar 2011 - S 201 AS 42151/09 - abgewiesen worden. Im sich anschließenden Berufungsverfahren (L 14 AS 505/11) hatten die Beteiligten nach Hinweis des Gerichts, dass § 573 c Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine Kündigungsfrist von drei Monaten vorsehe und nach § 573 c Abs. 4 BGB weitergehende Kündigungsregelungen unwirksam seien, am 18. März 2014 einen Vergleich u. a. dahingehend geschlossen, dass der Beklagte für die Zeit vom 1. September 2009 bis 30. November 2009 die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 530,86 Euro monatlich gewährt und die Klägerin weitere Rechte nicht geltend macht.

Mit Bescheid vom 18. Februar 2010 hatte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. März 2010 bis 31. August 2010 bewilligt, wobei als Kosten für Unterkunft und Heizung 378,00 Euro monatlich gewährt worden waren. Der dagegen eingelegte Widerspruch war mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2010 zurückgewiesen worden. Dagegen hatte die Klägerin beim Sozialgericht Berlin Klage (S 197 AS 11169/10) erhoben. Nachdem mit Bescheiden vom 29. Juli 20...

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