Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Leiter des Ausbaus-Terminal. Arbeitnehmerüberlassung. nicht ernsthaft gemeinter "Vertrag über freie Mitarbeit". Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. drittbezogener Personaleinsatz. Eingliederung in die Betriebsorganisation. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Schließt ein Auftraggeber, der über eine Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt, mit einem Auftragnehmer einen "Vertrag über freie Mitarbeit", nachdem er zuvor mit Wissen des Auftragnehmers mit einem Entleiher einen Vertrag nach § 12 AÜG bezüglich der Überlassung dieses Auftragnehmers geschlossen hat, ist der "Vertrag über freie Mitarbeit" offenkundig nicht ernsthaft gewollt, soweit hierdurch eine Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV vermieden werden soll.

2. Wer in vielfältiger Weise die Arbeitsmittel und Infrastruktur seines Auftraggebers nutzt und mit dessen Personal täglich zusammenarbeitet (zB auf der Grundlage einer Weisungsbefugnis diesem gegenüber sowie durch Besprechungen und Mitentscheidungsrechte), ist in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juni 2014 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 3/10 und die Beklagte zu 7/10. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch um die Frage, ob der Beigeladene zu 1) aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 15. April bis zum 31. Dezember 2010 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung (SPV) unterlag.

Die klagende GmbH verfügt zumindest seit 2009 - entsprechend ihres Unternehmensgegenstandes - über eine unbefristete Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung nach §§ 1 und 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Im Zusammenhang mit einer Ausschreibung für die Maßnahme “Koordination als Bauherrnvertreter der Ausbaugewerke Terminal„ (Vergabe Nr. A 35 00 1064) forderte die F GmbH (Beigeladene zu 4), damals firmierend als F B GmbH, die Klägerin unter dem 9. März 2010 zur Abgabe eines Angebots auf. Die Klägerin gab ein den u.g. “Arbeitnehmerüberlassungsvertrag„ (AÜV) umfassendes Angebot ab, welchem die Beigeladene zu 4) am 17. März 2010 den Zuschlag erteilte. Der AÜV hat im Wesentlichen folgenden Inhalt:

§ 2 Überlassung

1. Der Verleiher verpflichtet sich, dem Entleiher den nachfolgend aufgeführten Arbeitnehmer zum Einsatz in dessen Betrieb voraussichtlich im Zeitraum vom 15.04.2010 bis 31.05.2011 zu überlassen.

Der ANÜ-Vertrag steht unter der aufschiebenden Bedingung der Vorlage der Erlaubnis gemäß § 1 dieses Vertrages (gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung - AÜG).

Name, Vorname:

 E    

geboren:

Staatsangehörigkeit:

Deutsch

vorgesehene Tätigkeit:

Koordination als Bauherrnvertreter der Ausbaugewerke Terminal

Einsatz und Einsatzbereich:

Bereich Planung und Bau BBI

Monatspauschale, netto inkl. Überstunden für die Entleihe:

 17.200,00 Euro

Tagespauschale, netto inkl. Überstunden für die Entleihe:

 860,00 Euro

2. Bei Bedarf behält sich die FB vor, eine Option (1) für eine Vertragsverlängerung für die Personalgestellung in vollen Monaten bis zu maximal 6 Monaten zu beauftragen. Der Verleiher hat keinen Rechtsanspruch auf das Beauftragen der Option.

§ 5 Vergütung

Der Entleiher hat dem Verleiher für jeden Leiharbeitnehmer die für diesen vereinbarte Vergütung (siehe § 2) zuzüglich der jeweiligen gesetzlichen Mehrwertsteuer zu zahlen.

Die Abrechnung der Leistungen erfolgt nach der vereinbarten Monatspauschale für jeden vollen Arbeitsmonat. Bei Unterbrechungen der Einsatzzeit des Arbeitnehmers erfolgt die Vergütung auf Basis der vereinbarten Tagespauschale.

Die wöchentliche Arbeitszeit der überlassenen Arbeitnehmer beträgt 40 Stunden.

Etwaige vom Arbeitnehmer zur Erfüllung der übertragenen Leistungen geleistete oder notwendige Überstunden sind mit der vereinbarten Monatspauschale/Tagespauschale abgegolten.

§ 6 Direktionsrecht

Der Entleiher darf den Leiharbeitnehmer nur mit den Arbeiten beschäftigen, die in § 2 des Vertrages aufgeführt sind. Er darf deshalb nur die Arbeitsmittel benutzen, die zur Durchführung dieser Tätigkeit erforderlich sind.

Der Entleiher ist berechtigt, den Leiharbeitnehmer hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit Weisungen zu erteilen und die Arbeitsausführung zu überwachen.

§ 8 Haftung

Der Verleiher übernimmt die Gewähr dafür, dass die Leiharbeitnehmer für die Ausführung der in § 2 dieses Vertrages bezeichneten Arbeiten geeignet sind. Über die Auswahl des Leiharbeitnehmers hinaus trifft den Verleiher keine Haftung für etwaige von dem Leiharbeitnehmer ausgeführten Arbeiten.

§ 9 Kündigung

Verleiher und Entleiher können den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit einer Frist von zwei Wochen zum Monatsende kündigen. Die Kündi...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?