Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Zusteller
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Ist ein Zusteller von Sendungen in die Arbeitsorganisation seines Auftraggebers eingegliedert, auf dessen Material und Personal angewiesen, dessen Weisungen unterworfen, hinsichtlich der Art und Weise der Arbeitsausführung an dessen Vorgaben gebunden und kann er den Ertrag seiner Tätigkeit nicht durch verstärkten eigenen Arbeitseinsatz steigern, so ist von dem Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
3. Die eingeräumte Befugnis, die Arbeit delegieren zu können, steht der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht zwingend entgegen (BSG Urteil vom 19. August 2003, B 2 U 38/02 R).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 17. September 2015 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen, die diese selbst zu tragen haben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen zu 1) während seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 24. Mai 2011 bis Juni 2013.
Der 1988 geborene Beigeladene zu 1) ist rumänischer Staatsangehöriger. Am 24. Mai 2011 schloss er mit der Klägerin eine Vereinbarung, nach der er mit der Entgegennahme von Sendungen sowie deren Transport und Zustellung in dem nach Anlage 1 zu vereinbarenden Zustellungsgebiet beauftragt wurde. Für die Abwicklung sollte der Inhalt der jeweils aktuellen Ausgabe des Heftes “Abläufe und Sendungsdokumentation„ gelten. Im Vertrag war vereinbart, dass der Auftragnehmer seine Tätigkeit selbstständig ausüben werde, er bestätigte, alle zur Erfüllung des Vertrags erforderlichen Genehmigungen zu besitzen. Vereinbart wurde weiter, dass ausschließlich Arbeitsbekleidung mit der Aufschrift Hermes-Logistikgruppe zu tragen sei, um ein ordnungsgemäßes Erscheinungsbild zu gewährleisten. Ladeschale, Schilder, Quittungen und Aufkleber seien sofort nach Beendigung der Tätigkeit abzugeben, andernfalls würden sie in Rechnung gestellt. Das Zustellungsgebiet sollte nach Anlage 1 Einzelvertrag nach Absprache festgelegt werden, für die Durchführung der Zustellungen wurden in Anl. 2 zum Vertrag bestimmte Entgelte pro Sendung vereinbart.
Aufgrund dieses Vertrages führte der Beigeladene zu 1), der ein Gewerbe als Reinigungskraft, für Catering, Webdesigner und Gebäudereinigung angemeldet hatte, in der Zeit bis 30. Juni 2013 für die Klägerin Zustellungen durch. Sein Honorar stellte er der Klägerin monatlich unter Ausweisung von Umsatzsteuer in Rechnung. Für die Fahrten verwendete er seinen eigenen PKW und einen Tourscanner, den er von der Klägerin erhalten hatte. Eigene Arbeitnehmer beschäftigte er bei den Fahrten nicht.
Am 5. Februar 2013 beantragte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten eine Entscheidung zu seinem sozialversicherungsrechtlichen Status mit dem Ziel, eine Beschäftigung festzustellen. Die Beklagte hörte den Kläger zu der Absicht an, eine versicherungspflichtige Beschäftigung festzustellen.
Die Klägerin entgegnete, es spreche nicht für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, dass der Vertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden. Ein Frachtführer im Sinne des HGB übe ein selbstständiges Gewerbe aus. Das gelte auch, wenn er als Einzelperson ohne weitere Mitarbeiter für einen Spediteur tätig sei. Auch habe der Beigeladene zu 1) über längere Zeiträume keine Transporte für sie - die Klägerin - durchgeführt. Es habe ihm auch freigestanden, dritte Personen zur Auftragsausführung einzusetzen. Das Abwicklungshandbuch sei eine Voraussetzung dafür, dass eine technisierte Zustellung nach einheitlichen Maßstäben funktionieren könne. Die Zustellung von Paketen sei eine typische Tätigkeit von Frachtführern, die der Gesetzgeber als Gewerbetreibenden und damit als Selbständige eingeordnet habe, obwohl der Frachtführer schon von Gesetzes wegen weitreichenden Weisungsrechten sowohl des Spediteurs als auch des Absenders und des Empfängers des Frachtguts ausgesetzt sei. Zeitlich gebundene Aufträge würden von ihr - der Klägerin - nicht vergeben, in wenigen Fällen müssten lediglich grobe Zeitfenster eingehalten werden. Es erschließe sich nicht, wie ein Transportauftrag ohne örtliche Vorgaben erfüllt werden solle. Sie - die Klägerin - gebe auch keine festen Fahrtouren vor. Jedenfalls könne von einer Toureneinteilung nicht auf...