Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung: Gewährung einer Verletztenrente nach Arbeitsunfall. Anforderungen an die Annahme einer Kausalität zwischen einem Unfallereignis und einem Gesundheitsschaden. Zulässigkeit der Verneinung eines Ursachenzusammenhangs wegen allgemeiner wissenschaftlichen Erkenntnisse

 

Orientierungssatz

1. Die auf der Theorie der wesentlichen Bedingung basierende Kausalitätsbeurteilung im Sozialrecht schließt allgemeine Erkenntnisse über bestimmte Ursachenzusammenhänge nicht aus, so dass jedenfalls dann im konkreten Einzelfall keine weitere Prüfung der Kausalität zu erfolgen hat, wenn nach wissenschaftlichen Maßstäben ein bestimmtes Ereignisse von vorn herein nicht geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen.

2. Eine bei einem Unfall erlittene Zerrung der Halswirbelsäule kommt grundsätzlich nicht als Ursache für eine chronische primäre Kopfschmerzerkrankung in Betracht, auch wenn unmittelbar nach dem Unfallereignis Kopfschmerzen auftraten.

3. Einzelfall zur Bewertung einer Kausalität zwischen einem Arbeitsunfall (hier: Fahrradunfall mit dabei erlittenen Schädelprellungen und Zerrung der Halswirbelsäule) und einem dauerhaften Gesundheitsschaden (hier: Wirbelsäulenschaden und chronischen Kopfschmerzen).

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. November 2007 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines anerkannten Arbeitsunfalls vom 04. Dezember 2000.

Die 1956 geborene Klägerin befand sich am 04. Dezember 2000 mit dem Fahrrad auf dem Heimweg von ihrer Arbeitsstätte am Geo-Forschungszentrum in P, als sie gegen 16:30 Uhr in N mit einem von rechts kommenden Pkw zusammenstieß, dabei mit dem Kopf auf der Motorhaube aufschlug und dann auf die Straße fiel (Durchgangsarztbericht ≪DAB≫ des Dr. K vom Kreiskrankenhaus ≪KKH≫ B). Sie wurde zunächst in die unmittelbar benachbarte Praxis ihrer behandelnden Ärztin Dr. W und dann per Rettungswagen in das KKH B gebracht. Laut Rettungsdienstprotokoll war die Klägerin um 17:04 Uhr wach und orientiert. Eine Amnesie lag nicht vor. Es bestanden multiple Schürfungen im Gesicht und an beiden Knien sowie eine Schwellung am rechten Jochbein. Ferner klagte die Klägerin über mittelstarke Schmerzen am linken Handgelenk sowie am Kopf. Laut Unfallanamnese des KKH B bestand bei Aufnahme Übelkeit, die Klägerin hatte sich jedoch nicht erbrochen. Gemäß DAB vom 04. Dezember 2000 klagte die Klägerin weiterhin über Schwindel. Neurologisch war die Klägerin unauffällig. Die Diagnose lautete “multiple Prellungen mit Kreislaufdysregulation„.

Die Klägerin befand sich vom 04. bis zum 09. Dezember 2000 in stationärer Behandlung im KKH B. Während dieses Aufenthaltes erbrach sie sich laut Eintragungen in den Krankenunterlagen zweimal (am 05. sowie am 06. Dezember 2000). Röntgenaufnahmen des Schädels in 2 Ebenen, der Nasennebenhöhle, der Halswirbelsäule (HWS) in 2 Ebenen, der Brustwirbelsäule (BWS) in 2 Ebenen sowie des linken Kniegelenks in 2 Ebenen ergaben keinen Anhalt für Frakturen. Am 07. Dezember 2000 wurden außerdem noch ein Computertomogramm (CT) des Schädels sowie der HWS erstellt. Das CT des Schädels ergab einen unauffälligen altersentsprechenden cerebralen Befund ohne Nachweis einer Fraktur, Blutung, eines anderen Herdbefundes oder von Raumforderungszeichen. Das CT der HWS erbrachte ebenfalls keinen Nachweis von Frakturen, Luxationen, Subluxationen oder eines paravertebralen oder intraspinalen Hämatoms. Es zeigte sich eine relative bis beginnende absolute Spinalkanalstenose bei C5/7 bei ausgeprägten Retrospondylophyten. Im gesamten untersuchten Bereich fanden sich deutliche degenerative Veränderungen, die das Altersmaß erheblich überstiegen. In allen Segmenten wurde eine leichtgradige, nur bei C5/6 eine mittelgradige, Neuroforamenstenose festgestellt. Im vorläufigen handschriftlichen Entlassungsbericht des KKH wurden als Diagnosen genannt: HWS-Distorsion bei degenerativen Veränderungen, multiple Prellungen und Schädelprellung mit vegetativer Begleitsymptomatik. Im endgültigen Entlassungsbericht vom 13. Dezember 2000 hieß es unter Diagnosen: “Verdacht auf SHT ≪Schädel-Hirn-Trauma≫, HWS-Distorsion, multiple Prellungen„. Eine retrograde Amnesie habe nicht sicher ausgeschlossen werden können. Neurologische Ausfälle seien nicht aufgetreten.

Laut einem Bericht des Dr. K vom 27. Dezember 2000 wurde von der Klägerin über unverändert erhebliche Beschwerden im HWS-Bereich berichtet, wobei insbesondere bei der Linksdrehung Schmerz und Schwindel provozierbar seien. Dieser Drehschwindel sei neu und bedürfe der Abklärung. Die Klägerin stellte sich am 02. Januar 2001 im Unfallkrankenhaus B (UKB) vor, wo eine Otolithenfunktionsstörung diagnostiziert wurde (Bericht vom 03. Januar 2001). Unter dem 18. Januar 2001 berichtete Dr. K, die Drehschwindelanfälle hätten sich komplett zurückgeb...

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