Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung einer höheren Verletztenrente im Rahmen eines Verschlimmerungsantrags. Lähmung Nervus thoracicus longus mit behaupteter, aber nicht diagnostizierter Störung als Unfallfolge. Arbeitsunfall. MdE. Wesentliche Änderung. Ursächlicher Zusammenhang
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Bildung der MdE sind alle Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen, die mit Wahrscheinlichkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis stehen. Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und für die Gewährung einer Verletztenrente ist aber zunächst die aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgte Feststellung der konkreten Gesundheitsstörung.
Normenkette
RVO § 581 Abs. 1 Nr. 2; SGB VII §§ 73, 214 Abs. 3 S. 2; SGB X § 48 Abs. 1
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. September 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der durch einen Arbeitsunfall bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) im Rahmen eines Verschlimmerungsantrages.
Der 1960 geborene Kläger erlitt am 10. Dezember 1996 im Rahmen seines bei der Firma G Astr. 5, B, versicherten Arbeitsverhältnisses bei seiner beruflichen Tätigkeit als Schlosser einen Arbeitsunfall, indem eine beladene und herab fallende Palette seinen rechten Oberarm traf und diesen mit gleichzeitigem Zug nach unten einklemmte. Ausweislich des Durchgangsarztberichtes des Dr. K vom 10. Dezember 1996 konnten anhand der Untersuchung und der Röntgenaufnahmen eine knöcherne Verletzung und eine Luxation ausgeschlossen werden; diagnostiziert wurde eine Weichteilprellung am rechten Arm. Bei der anschließenden neurologischen Untersuchung wurden lediglich diskrete Hypästhesien festgestellt. Wegen anhaltender Beschwerden stellte sich der Kläger in der Folgezeit in der C V Klinikum (C vor. Die Unfallchirurgen Prof. Dr. H und Dr. K diagnostizierten eine deutliche Fehlbewegung des medialen Schulterblattrandes (Zwischenbericht vom 14. Januar 1997). Neurologisch wurde eine Parese (unvollständige Lähmung) des Musculus serratus anterior rechts (rechtsseitiger Brustmuskel) als Folge einer Überdehnungsläsion des Nervus thoracicus longus (langer Brustkorbnerv) rechts mit hieraus folgenden Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich und Taubheitsgefühlen im rechten Arm sowie Fehlstellung des rechten Schulterblattes festgestellt (Bericht des Facharztes für Neurologie Dr. B vom 09. Januar 1997).
Die zahlreichen Vorstellungen des Klägers in der C führten nicht zur Feststellung, dass der Nervus thoracicus longus sich erholt habe; es sei mit einem Erholungszeitraum bis zu zwei Jahren, wenn überhaupt, zu rechnen. Die Ärzte berichteten über einen anhaltenden klinischen Befund (Anheben des rechten Armes unter Schmerzen nur bis zum rechten Winkel möglich bei passiver freier Beweglichkeit, ohne sensible Ausfälle im Bereich des rechten Arms - Zwischenberichte Dr. K vom 04. Juni und 28. August 1997 und 09. März 1998).
Im Ersten Rentengutachten vom 11. Juni 1998 diagnostizierten Prof. Dr. H und Dr. K eine Funktionseinschränkung des rechten Armes infolge einer kompletten Lähmung des Musculus serratus anterior sowie fehlbelastungsbedingter Nacken- und Halswirbelsäulen (HWS)-Schmerzen. Die rechte Schulter stehe im Seitenvergleich um ca. 2 Zentimeter tiefer. Beim Anheben des Arms über die Horizontale trete das rechte deutlich nach dorsal stehende Schulterblatt hervor. Paresen oder Muskelatrophien seien bis auf die Lähmung des Musculus serratus anterior nicht festzustellen, ebenso wenig seien die Muskeleigenreflexe beider Arme beeinträchtigt. Die MdE betrage ab dem 08. Juni 1998 und bis zur Beendigung des zweiten Jahres nach dem Unfall 30 v. H. Dr. B stellte eine komplette Lähmung des rechten Musculus serratus anterior und als typische Folge eine ausgeprägte Scapula alata rechts (flügelförmiges Abstehen des Schulterblattes) mit ziehenden Schmerzen beim Heben und Ausstrecken des Arms fest. Eine Reinnervation des Muskels sei nicht erfolgt, die Schulter- und Oberarmmuskulatur sei normal entwickelt und nicht atrophisch, es sei kein wesentlicher Sensibilitätsausfall festzustellen (Bericht vom 26. Juni 1997 und neurologisches Zusatzgutachten vom 23. Juli 1998). Die unfallbedingte MdE sei zurzeit noch mit 30 v. H. zu bewerten.
Mit Bescheid vom 19. August 1998 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Verletztenrente auf Grund einer MdE von 30 v. H., zunächst als vorläufige Entschädigung.
In einem Zweiten Rentengutachten vom 07. April 1999 zwecks Feststellung der Voraussetzungen einer Rentengewährung auf unbestimmte Zeit bewerteten Prof. Dr. H und Dr. K die unfallbedingte MdE erneut mit 30 v. H. Festgestellt wurde ein Schonverhalten des rechten Arms beim Entkleiden und eine tiefer stehende rechte Schulter, aber noch keine deutliche Muskelminderung am rechten Sch...