Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Antrag auf Anhörung eines bestimmten Arztes, Verbrauch des Antragsrechts. Verletztenrente wegen der Folgen eines Wegeunfalls

 

Orientierungssatz

1. Wurde einem Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG durch das Gericht in der Tatsacheninstanz entsprochen und ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört, so ist das diesbezügliche Antragsrecht im selben Fachgebiet für das Berufungsverfahren verbraucht, sofern nicht besondere Umstände eine wiederholte Begutachtung rechtfertigen. Ein solcher besonderer Umstand ist jedenfalls nicht schon gegeben, weil das zuvor nach § 109 Abs. 1 SGG eingeholte Gutachten nicht zu dem vom Antragsteller gewünschten Ergebnis kam.

2. Einzelfall zur Beweiswürdigung bezüglich eines behaupteten Gesundheitsschadens (hier: Wirbelsäulenverbiegung) sowie bezüglich behaupteter dauerhafter Unfallfolgen nach einem Arbeitsunfall.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. April 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines Wegeunfalls vom 12. April 1999 im Wege des Zugunstenverfahrens.

Die 1963 geborene Klägerin war als Hauswirtschafterin in einem privaten Haushalt angestellt, als sie am 12. April 1999 auf dem Weg von ihrer Arbeitsstelle nach Hause gegen 14:12 Uhr angeschnallt einen Autounfall erlitt. An der Ecke H Fstraße fuhr ihr ein Kleintransporter in die linke Seite. Die Klägerin suchte zunächst ihre Hausärztin, die Allgemeinmedizinerin Dr. F, auf, die sie an den Durchgangsarzt überwies. Die Klägerin stellte sich am selben Tag um 16:31 Uhr bei der Chirurgin und Unfallärztin Dr. B vor, die eine Halswirbelsäulen-(HWS)-Distorsion I. Grades diagnostizierte und eine Schanz‚sche Krawatte verordnete. Die Klägerin klagte dort über Schmerzen in der linksseitigen Nacken/Schultermuskulatur bei freier Beweglichkeit der HWS ohne Schmerzen. Sensibilitätsstörungen lagen nicht vor, eine Gurtmarke war nicht zu sehen. Die Reflexe waren seitengleich, die Pupillenreaktion normal. Die Röntgenuntersuchung der HWS zeigte eine nur angedeutete Steilstellung der HWS in den unteren Segmenten und keine knöchernen Verletzungszeichen. Wegen einer subjektiv empfundenen Unsicherheit, Schwindelgefühl und Sehstörungen wurde die Klägerin zur fachärztliche neurologischen Abklärung an den Neurologen und Psychiater Dr. A überwiesen (Durchgangsarztbericht ≪DAB≫ vom 12. April 1999). Die Klägerin stellte sich am 13., 14. und 22. April 1999 bei Dr. A vor, der anhand verschiedener neurologischer Testungen (u. a. Elektroencephalogramm ≪EEG≫, audioelektroencephalographische Untersuchung, visuell evozierte Potentiale) aus neurologischer Sicht keine zentralen oder radikulären Traumafolgen feststellen konnte. Bei einer weiteren Vorstellung bei Frau Dr. am 13. April 1999 beklagte die Klägerin Beschwerden im Bereich des linken Sprunggelenks und Fußes sowie im rechten und linken Flankenbereich in mittlerer und unterer Höhe der Brustwirbelsäule (BWS). Radiologisch konnten keine knöchernen Verletzungen festgestellt werden. Frau Dr. B diagnostizierte nunmehr neben der HWS-Distorsion I. Grades ein ventralen Beschleunigungstrauma der HWS, z. B. Muskelzerrung rechte und linke Flanke, z. B. Prellung und Stauchung linkes oberes Sprunggelenk.

Am 16. April 1999 wies Dr. B die Klägerin stationär in das Krankenhaus A U ein, nachdem die Klägerin ihr telefonisch von Atembeschwerden, Luftnot und Gangunsicherheit berichtet hatte. Dort hielt sie sich vom 16. bis zum 21. sowie vom 23. bis zum 30. April 1999 auf. Es wurde eine akute Belastungsreaktion nach Verkehrsunfall diagnostiziert (Entlassungsbericht vom 05. Mai 1999). Am 11. Mai 1999 stellte sich die Klägerin nochmals bei Frau Dr. B vor, die im Bereich der HWS keinerlei Verletzungsfolgen mehr feststellen konnte. Es fanden sich weder Schwellungen noch Hautverfärbungen oder Bewegungseinschränkungen. Die Klägerin wurde daraufhin aus der unfallbedingten Heilbehandlung entlassen. Der die Klägerin ebenfalls behandelnde Orthopäde Dr. L stellte am 28. Juni 1999 ebenfalls eine freie Beweglichkeit der HWS fest.

Die Beklagte veranlasste ein fachchirurgisches Zusammenhangsgutachten des Dr. H, das dieser am 12. August 1999 nach Aktenklage erstellte, nachdem eine Untersuchung der Klägerin nicht zustande gekommen war. Darin gelangte er zu dem Schluss, der Unfall habe zu einer mäßigen Distorsion der HWS (Grad I) geführt. Eine Fraktur oder eine Gefügestörung oder ein Schädel-Hirn-Trauma hätten nicht vorgelegen. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 11. Mai 1999 angedauert. Die zwischenzeitlich gezeigte Symptomatik sei psychogen überlagert. Es seien keine Unfallfolgen verblieben, die eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bedingten.

Daraufhin lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls mit Bescheid vom 06....

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