Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Höhe. Bemessungsentgelt. Arbeitsentgelt aus mehreren nahtlos aneinander anschließenden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Maßnahmekette. Bestandsschutz. Vergleichsberechnung. unbillige Härte
Leitsatz (amtlich)
Wird durch mehrere, nahtlos aneinander anschließende Beschäftigungen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben, ergeben sich hieraus keine Besonderheiten für die Anwendung des § 112 Abs 5 Nr 4 AFG . Nur das im Bemessungszeitraum iSd § 112 Abs 2 S 1 AFG erzielte Arbeitsentgelt ist mit dem für den vorherigen Leistungsbezug maßgebenden, ggf dynamisierten Arbeitsentgelt zu vergleichen. Für die Praxis der Beklagten, bei "Maßnahmeketten" die fiktiven Bemessungsentgelte für die einzelnen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, mit denen eine Anwartschaftszeit erfüllt wäre, miteinander zu vergleichen und den Rückgriff auf das (höhere) Bemessungsentgelt für die zuvor bezogene Leistung sowie eine fiktive Bemessung nach § 112 Abs 5 Nr 4 S 2 iVm Abs 7 AFG auszuschließen, fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
Normenkette
AFG § 112 Abs. 5 Nr. 4 Sätze 2, 1, Abs. 7
Verfahrensgang
SG Berlin (Urteil vom 19.05.1998; Aktenzeichen S 53 Ar 4958/97) |
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des der Klägerin ab 1. November 1997 zustehenden Arbeitslosengeldes (Alg).
Die am geborene -- verwitwete -- Klägerin war (vom 16. Februar 1979) bis zum 31. März 1992 bei der Konsumgenossenschaft in Ost-Berlin als "Verantwortliche für Kontrolle Anlagevermögen (Immobilien)" tätig. Sie bezog antragsgemäß ab 1. April 1992 Alg, und zwar in Höhe von 216,-- DM wöchentlich nach einem Bemessungsentgelt von 490,-- DM. Der Alg-Anspruch, der ab 10. März 1994 erschöpft war, betrug zuletzt wöchentlich 271,80 DM nach einem Bemessungsentgelt von 700,-- DM. Anschließend bezog die Klägerin Arbeitslosenhilfe (Alhi) nach demselben Bemessungsentgelt.
Vom 12. September 1994 bis 21. März 1995 war die Klägerin in der Fortbildungsmaßnahme "Kaufmännische Bürokraft für kleine und mittelständige Unternehmen" (965/9313/94) und bezog Unterhaltsgeld, zuletzt nach einem Bemessungsentgelt in Höhe von 800,-- DM. Anschließend bezog die Klägerin wieder Alhi, wiederum nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 800,-- DM.
Ab 24. April 1995 erfolgte eine Neueinstufung der Klägerin nach § 136 Abs.2 b AFG als "Bürokraft/Bürohilfskraft, Tarifvertrag Einzelhandel K 2 nach dem 7. Berufsjahr". Danach betrug das Arbeitsentgelt 2.631,-- DM im Monat. Demzufolge betrug das Bemessungsentgelt ab 24. April 1995 für die der Klägerin seit diesem Zeitpunkt weitergewährte Alhi 610,-- DM, woraus eine wöchentliche Alhi-Leistung von zuletzt 53,67 DM resultierte bei einem wöchentlichen Anrechnungsbetrag von 158,05 DM wegen der Witwenrente.
In der Zeit vom 1. November 1995 bis 31. Oktober 1997 befand sich die Klägerin in zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, also in einer sogenannten Maßnahmekette. Die Arbeitszeit betrug in jeder der beiden Maßnahmen 30 Stunden wöchentlich. Das entsprach 75 % der tariflichen Arbeitszeit, die 40 Stunden wöchentlich betrug. Das Bruttoarbeitsentgelt betrug in der letzten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme im Bemessungszeitraum (Mai bis Oktober 1997) monatlich 2.253,87 DM. (In der ersten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme hatte es durchschnittlich monatlich 2.113,71 DM betragen.)
Am 16. Oktober 1997 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg, das die Beklagte mit Bewilligungsbescheid des Arbeitsamtes Berlin Süd vom 6. November 1997 ab 1. November 1997 für 416 Tage nach einem Bemessungsentgelt von 520,-- DM wöchentlich in Höhe von 219,-- DM wöchentlich bewilligte.
Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein, u.a. wegen der Höhe der Leistung. Vor Eintritt in die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen habe sie bis 31. Oktober 1995 Alhi nach einem Bemessungsentgelt von zuletzt 610,-- DM erhalten. Deshalb dürfe sie jetzt nach dem Ende der beiden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nicht schlechter stehen, was bei einem Bemessungsentgelt von 520,-- DM jedoch der Fall sei.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 1997 -- als unbegründet -- zurück. Hinsichtlich der Bemessung des Alg liege ein Sonderfall des § 112 Abs. 5 Nr. 4 AFG vor, weil die Klägerin in einer sogenannten Maßnahmekette aus zwei nach den §§ 91 -- 96 AFG geförderten Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung beschäftigt gewesen sei. Der letzte Tag des ursprünglichen Bemessungszeitraumes vor Entstehung des neuen Anspruchs sei der 31. März 1992. Er habe somit bei Entstehung des neuen Anspruchs deutlich länger als drei Jahre zurückgelegen. Eine fiktive Bemessung im Sinne des § 112 Abs. 7 AFG könne hier gleichwohl nicht erfolgen, da zwar die letzte beitragspflichtige, nicht nach den §§ 91 bis 96 AFG geförderte Beschäftigung am 31. März 1992 geendet und der letzte Tag des ursprünglichen Bemessungszeitraums damit länger als drei Jahre zurückliege, die Klägerin jedoch aufgrund ihrer ersten Arbei...