Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Regelaltersrente. verspätete Antragstellung. Wohnsitz in den USA. Vertragsstaat. deutsche Versicherungszeit. Bezieher einer amerikanischen Rente. Gleichstellungsfiktion. Verfassungsmäßigkeit. Gegenseitigkeitsprinzip
Orientierungssatz
1. Art 14 Abs 1 SozSichAbk USA enthält keine gesetzliche Fiktion der Gestalt, dass ein in den USA gestellter Antrag auf Geldleistungen nach den amerikanischen Rechtsvorschriften ohne weiteres auch als Antrag auf Geldleistungen nach den deutschen Rechtsvorschriften gilt. Dies steht im Einklang mit der in Art 14 Abs 2 SozSichAbk USA geregelten Dispositionsbefugnis des Antragstellers.
2. Demgegenüber enthält Art 7 Nr 1 S 1 SozSichAbkDVbg USA eine Gleichstellungsfiktion. Danach gilt ein Antrag auf Geldleistungen nach den Rechtsvorschriften des einen Vertragsstaates auch als Antrag auf Geldleistungen nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates, wenn der Antrag erkennen lässt, dass auch Versicherungszeiten nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates geltend gemacht werden. Diese Regelung ist gegenüber Art 14 Abs 1 SozSichAbk USA nicht nachrangig, sondern fingiert originär eine Antragstellung im jeweils anderen Vertragsstaat.
3. Die in Art 7 Nr 1 S 1 SozSichAbkDVbg USA getroffene Regelung verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 GG, weil der vom SozSichAbk USA betroffene Personenkreis (vgl Art 3 SozSichAbk USA) im Wege des Gegenseitigkeitsprinzips gleichbehandelt wird. Eine Handhabung der in Art 7 Nr 1 S 1 SozSichAbkDVbg USA getroffenen Regelung entsprechend den in anderen Sozialversicherungsabkommen enthaltenen, für den betroffenen Personenkreis günstigeren Regelungen zur Antragsgleichheit ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar können bei Auslegung eines Sozialversicherungsabkommens auch andere Sozialversicherungsabkommen herangezogen werden, sofern diese gleichartige Regelungen enthalten und die Interessenlage der Vertragspartner identisch ist. Im Hinblick auf das Gegenseitigkeitsprinzip kommt aber dem Wortlaut des Vertragstextes bei der Auslegung einer Abkommensregelung die größere Bedeutung zu (vgl BSG vom 14.12.1998 - B 5 RJ 60/97 R = BSGE 83, 192 = SozR 3-6855 Art 11 Nr 1).
4. Voraussetzung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs seitens des Versicherten ist eine dem Rentenversicherungsträger zurechenbare Pflichtverletzung in Zusammenhang mit den §§ 14, 15 SGB 1 sowie § 115 Abs 6 SGB 6.
Tatbestand
Streitig ist der Rentenbeginn.
Die 1928 in E geborene Klägerin lebt seit April 1950 in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und besitzt seit 1953 die US-amerikanische Staatsangehörigkeit. In den USA entrichtete die Klägerin bis Ende 1993 für insgesamt 121 Quartale Beiträge zur Rentenversicherung wegen abhängiger Beschäftigung. Auf ihren Antrag vom 9. Januar 1990 gewährte der amerikanische Sozialversicherungsträger (S S A -- SSA --) der Klägerin -- nach ihren Angaben im Verwaltungsverfahren -- ab März 1993 eine Altersrente.
Am 24. Mai 1995 beantragte die Klägerin über die Stadtverwaltung M bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) der Freien Hansestadt H die Gewährung einer Rentenleistung. Im Rentenformantrag vom 18. Oktober 1995, eingegangen am 7. November 1995, konkretisierte sie ihr Begehren auf Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und gab an, von Mai 1944 bis Februar 1947 und von Juli 1947 bis Januar 1950 in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt gewesen zu sein. Nach Klärung des Versicherungskontos und Einholung einer Auskunft von der SSA stellte die Beklagte mit Rentenbescheid vom 13. November 1996 für die Klägerin eine Regelaltersrente beginnend am 1. Mai 1995 fest. Sie führte aus, die Rente könne erst vom Antragsmonat an geleistet werden, weil der Antrag nach Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren, gestellt worden sei. Die Zeit vom 2. April 1949 bis zum 31. Januar 1950 floss dabei nicht in die Rentenberechnung ein. Mit ihrem Widerspruch begehrte die Klägerin eine Rentenleistung bereits für die Zeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres im Februar 1993 sowie eine höhere Rente unter Berücksichtigung der Zeit von April 1949 bis Januar 1950 als Beitragszeit: Der amerikanische Versicherungsträger habe schon auf Grund der Angabe des Geburts- oder Herkunftslandes mit "Germany" bei Antragstellung annehmen müssen, dass auch ein deutscher Leistungsantrag gestellt werde. Jedenfalls habe die SSA sie nicht auf die Bestimmungen des deutsch-amerikanischen Sozialversicherungsabkommens und die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer deutschen Rentenleistung bei Antragstellung im Januar 1990 hingewiesen. Nach Einholung einer Auskunft der SSA vom 21. Mai 1997, wonach eine Antragstellung nach Abkommensrecht nicht erfolgt und lediglich ein Antrag auf eine US-amerikanische Rentenleistung von der Klägerin gestellt worden sei, wies die Beklagte mit Bescheid vom 3. September 1997 den Widerspruch der Klägerin zurück: Weder sei...