Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. nachgehender Leistungsanspruch ≪hier: Krankengeld≫. Nachrangigkeit gegenüber Familienversicherung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Schließt sich nach Beendigung des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses an die Pflichtversicherung eine andere Versicherung (hier: Familienversicherung) lückenlos an, so entfällt die Schutzbedürftigkeit und damit der gesetzgeberische Grund für die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 19 Abs 2 SGB 5.
2. Verheiratete Versicherte, die durch eine beitragsfreie Familienversicherung gegenüber dem Unverheirateten begünstigt sind, gebietet weder der verfassungsrechtlich verankerte Schutz von Ehe und Familie noch das Sozialstaatsprinzip eine weitergehende Begünstigung (Anschluss an LSG Berlin vom 15.11.2000 - L 15 KR 10/99 - und vom 25.7.2001 - L 9 KR 129/99).
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 1. bis zum 31. Oktober 1998.
Der 1960 geborene Kläger war bis zum 30. September 1998 mit einem Arbeitsentgelt von zuletzt 2.826,-- DM brutto bzw. 1.884,75 DM netto bei der Firma O als Verkäufer bzw. Staplerfahrer abhängig beschäftigt. Aufgrund dieses Beschäftigungsverhältnisses, das seitens der Arbeitgeberin durch betriebsbedingte Kündigung beendet wurde, war er bei der Beklagten pflichtversichertes Mitglied. Ab 1. Oktober 1998 war er über seine Ehefrau bei der Barmer Ersatzkasse familienversichert.
Am 2. Oktober 1998 stellte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W für die Zeit vom 1. bis zum 15. Oktober 1998 Arbeitsunfähigkeit fest, die er in der Folgezeit nahtlos bis zum 31. Oktober 1998 verlängerte. Am 1. November 1998 meldete sich der Kläger arbeitslos und bezog seither Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit. Seit diesem Zeitpunkt war er wiederum bei der Beklagten pflichtversichert.
Seinen Antrag, ihm für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit Krankengeld zu gewähren, lehnte die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 26. November 1998, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 1999, mit der Begründung ab: Im Hinblick darauf, dass die Pflichtmitgliedschaft des Klägers bei ihr mit Ablauf des 30. September 1998 geendet habe, könne Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch nur § 19 Abs. 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) sein. Der danach allein in Betracht zu ziehende Anspruch auf nachgehenden Versicherungsschutz werde jedoch durch die gleichzeitig bestehenden Ansprüche aus der Familienversicherung gegen die Krankenkasse der Ehefrau verdrängt. Dass die Familienversicherung keinen Anspruch auf Krankengeld beinhalte, ändere hieran nichts.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit seinem Urteil vom 27. Oktober 1999 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 1. bis zum 31. Oktober 1998 gegen die Beklagte nicht zu. Nach § 19 Abs. 2 SGB V habe er zwar gegen sie dem Grunde nach Anspruch auf nachgehenden Versicherungsschutz aus dem mit Ablauf des 30. September 1998 beendeten Pflichtmitgliedschaftsverhältnis. Der hiernach an sich gegebene Krankengeldanspruch sei jedoch mit Rücksicht darauf ausgeschlossen, dass der Kläger während des strittigen Zeitraums über seine Ehefrau familienversichert gewesen sei. Dieses Ergebnis folge aus allgemeinen Grundsätzen des Krankenversicherungsrechts, wonach das aktuelle Versicherungsverhältnis stets Vorrang genieße. Der nachgehende Leistungsanspruch sei -- wie das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 20. August 1986 (BSG SozR 2200 § 214 Nr. 2) bereits zum Verhältnis der freiwilligen Weiterversicherung ohne Krankengeldanspruch zum nachgehenden Versicherungsschutz entschieden habe -- subsidiär, weil sein tragender Grund, die Schutzbedürftigkeit des Versicherten nach Ende des Versicherungspflichttatbestandes, durch das neue Versicherungsverhältnis entfallen sei. Dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung wohne kein grundsätzliches Meistbegünstigungsgebot inne. Vielmehr handele es sich bei § 19 Abs. 2 SGB V um eine -- an sich systemwidrige und daher eng auszulegende -- Ausnahmeregelung. Sie setze ein Schutzbedürfnis voraus, das bei einem nahtlos anschließenden anderweitigen Versicherungsschutz nicht gegeben sei. Dass der Familienversicherte dadurch mit Blick auf einzelne Leistungen schlechter stehen könne als der Nichtfamilienversicherte, begründe noch keinen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), weil die Leistungen der Familienversicherung als zeitlich befristete Leistungen ansonsten werthaltiger seien. Auch im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip sei eine andere Bewertung nicht angezeigt, weil dieses Prinzip nicht dahingehend ausgelegt werden dürfe, dass mit seiner Hilfe jede im Einzelfall zu Härten und Unbilligkeiten führende Regelung modifiziert werden könnte.
Gegen das ihm am 28. Januar 2000 zugestellte Urteil richtet sich d...