nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit. Bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule. Langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten. Langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung. Ausreichendes Maß von wirbelsäulenbelastenden Einwirkungen. Berechnungsmethoden. Bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Anerkennung einer Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit richtet sich nach der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) Nr. 2108. Voraussetzung ist demnach langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung. Nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell muss für Hebevorgänge eine erforderliche Gesamtdosis von 25 Mega-Nh erreicht werden, für Tragevorgänge eine Tagesdosis von mehr als 5500Nh.

2. Werden diese Werte unterschritten, d. h. liegt ein ausreichendes Maß von wirbelsäulenbelastenden Einwirkungen nicht vor, sind bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nicht erfüllt.

3. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule liegt nicht vor, wenn lediglich degenerative Veränderungen im Bereich der kleinen Wirbelgelenke festzustellen sind.

 

Normenkette

BKV Anlage Nr. 2108; BKV Anlage Nr. 2109; SGB VII § 9 Abs. 1, §§ 2-3, 6

 

Verfahrensgang

SG Berlin (Entscheidung vom 28.06.2001; Aktenzeichen S 25 U 282/98)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juni 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 2108 und Nr. 2109 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und die Gewährung einer Verletztenrente.

Der 1940 geborene Kläger war nach Tätigkeiten als Fernmeldemonteur seit 1960 als Kabelverleger tätig. Dabei war er in der Zeit bis 1975 bei der Walter Rose KG auch im Bereich Tiefbau eingesetzt, von 1975 an bei der L F GmbH (L) ausschließlich mit der Verlegung von Starkstromkabeln im Gelände und in Bauwerken befasst. Diese Tätigkeit wurde unterbrochen durch ein Beschäftigungsverhältnis als Bauleiter bei der K H. FGmbH in der Zeit vom 1. April 1993 bis zum 31. März 1995. Vom 2. Januar 1996 an wurde er bei der L überwiegend als Bauleiter eingesetzt. Das Beschäftigungsverhältnis endete zum 30. Juni 1998 nach einer ununterbrochenen Zeit der Arbeitsunfähigkeit ab 4. März 1997.

Am 21. Februar 1996 erstattete die Bundesversicherungsanstalt eine Verdachtsanzeige wegen einer Wirbelsäulenerkrankung, die zu arbeitstechnischen und medizinischen Ermittlungen der Beklagten führte. Sie zog das Vorerkrankungsverzeichnis der DAK bei und holte einen Befundbericht des den Kläger seit 1992 behandelnden Orthopäden Dr. M ein, der chronisch rezidivierende Beschwerden im Bereich der gesamten Wirbelsäule mit etwa halbjährlichen Behandlungszyklen mitteilte. Weiterhin nahm sie Kopien der Schwerbehindertenakte und einen Heilverfahrensentlassungsbericht der Oklinik H über einen Aufenthalt vom 4. März bis zum 8. April 1997 zur Akte.

Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten teilte am 21. November 1996 mit, in 80% der Arbeitszeit in den Monaten April bis Oktober seien Kabel mit einem durchschnittlichen Gewicht von 10,75 kg je laufendem Meter verlegt worden. Besonders in Bauwerken und Kabelkanalanlagen, in denen das Einziehen auf Rollen und mit Zugspill nicht möglich sei, steige der Anteil der körperlichen Hebe- und Tragearbeiten in Zwangshaltung sprunghaft an. Die zu bewegenden Lastgewichte seien überwiegend mit 11 bis 15 kg anzunehmen. Des weiteren seien bei cirka 10 Arbeitsschichten im Jahr Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung in engen Kabelkanälen vorgenommen worden. Bei diesen Arbeiten seien 50 Hebevorgänge mit einer Rumpfbeugehaltung von 60 Grad angefallen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 21. Februar 1997 teilte der TAD mit, dass eine Berechnung der Belastungsdosis für die "Zieharbeiten" der Kabelmonteure nicht möglich sei, da es sich hierbei um dynamische Tätigkeiten handele, die nicht als wirbelsäulenbelastend anzusehen seien.

Durch Bescheid vom 26. Mai 1997 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Wirbelsäulen-erkrankung als Berufskrankheit ab. Die Voraussetzungen der Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule nach Nr. 2108 BKV und einer Erkrankung der Halswirbelsäule nach Nr. 2109 BKV seien nicht erfüllt, weil die Tätigkeit als Kabelverleger durch dynamische Bewegungen in Form von Ziehen, Drücken und Schieben gekennzeichnet sei. Derartige dynamische Bewegungen führten nach dem derzeitigem arbeitsmedizinischen Erkenntnisstand nicht zu bandscheibenbedingten Erkrankungen der Wirbelsäule.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, seit 1960 habe er auch 120 Kabelschachtdeckel pro Tag zu zweit anheben mü...

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