Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungs- bzw Beitragspflicht von sogenannten abhängig Selbständigen im Transportgewerbe
Orientierungssatz
1. Zur sozialversicherungsrechtlichen Einordnung der sogenannten abhängigen Selbständigen („Franchise-Nehmer”) im Transportgewerbe.
2. „Unterfrachtführer”, die vertraglich in ihrer Berufsausübung so stark eingeschränkt sind, daß sie weitgehend dem Berufsbild eines abhängig beschäftigten Kraftfahrers entsprechen, sind sozialversicherungspflichtige Beschäftigte iS des § 7 SGB 4.
Normenkette
AFG § 168 Abs. 1 Fassung: 1988-12-20; RVO § 165 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1956-06-12, § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1960-09-08; SGB IV § 7 Abs. 1 Fassung: 1976-12-23; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1988-12-20; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1989-12-18
Beteiligte
Allgemeine Ortskrankenkasse Berlin vertreten durch den Geschäftsführer |
60. Landesversicherungsanstalt Berlin, vertreten durch den Geschäftsführer |
61. Bundesanstalt für Arbeit, vertreten durch den Präsidenten des Landesarbeitsamtes |
Verfahrensgang
SG Berlin (Urteil vom 27.03.1992; Aktenzeichen S 72 Kr 23/91-2) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. März 1992 wird zurückgewiesen.
Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 1993 wird abgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin 1/6 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin, welche ein Transport- bzw. Transportvermittlungs-Unternehmen betreibt, den Beigeladenen zu 2) in der Zeit von Oktober 1987 bis Dezember 1988 in der Krankenversicherung und Rentenversicherung der Arbeiter versicherungspflichtig bzw. zur Bundesanstalt für Arbeit beitragspflichtig beschäftigt hat.
Nachdem die Klägerin ihre Geschäfte in Berlin zunächst von einer unselbständigen Niederlassung in München aus wahrgenommen hatte, war sie hier nach den Angaben ihres Berliner Filialleiters ab 1. Oktober 1987 als eigenständiges Unternehmen tätig (Gesellschaftsvertrag vom 25. November 1987; Eintragung im Handelsregister bei dem Amtsgericht Charlottenburg vom 10. Mai 1988). Sie firmiert als Handelsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH mit den Unternehmensgegenständen „Durchführung und Vermittlung von Transportaufträgen, Besorgungsfahren und Dienstleistungen im Rahmen des erlaubnisfreien Güternahverkehrs entsprechend den Vorschriften des Güterkraftverkehrsgesetzes; ferner der Handel mit und der Vertrieb wie auch die Vermietung von Kraftfahrzeugen sowie Waren aller Art, die dem Gesellschaftszweck mittelbar oder unmittelbar dienen oder ihn fördern”. Bei der Klägerin waren (neben abhängig beschäftigten Kraftfahrern) zur Durchführung von Transportfahrten zahlreiche Personen – u. a. der Beigeladene zu 2) – als sog. Unterfrachtführer eingesetzt, die nach ihrer Auffassung selbständig erwerbstätig waren. Dementsprechend reichte sie der Einzugsstelle keine Meldungen ein und zahlte für die Unterfrachtführer keine Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung sowie zur Bundesanstalt für Arbeit.
Rechtsgrundlage für den Einsatz der Unterfrachtführer waren von der Klägerin vorbereitete – nach ihren Angaben praktisch immer inhaltlich gleich gewesene und nur nach Provisionsklassen differierende – schriftliche Formularverträge mit diesen, überschrieben mit der Kopfzeile „Konditionen der … Transportbetriebe GmbH” (im folgenden: Konditione …). Des weiteren unterzeichneten die Unterfrachtführer Zusatzerklärungen und erkannten die „Betriebs-Ordnung” der Klägerin schriftlich an.
In den Konditionen heißt es u. a.:
„§ 1 Gegenstand
1. Der Unternehmer führt als selbständiger Unter-Frachtführer (§ 432 HGB) ausschließlich für die … in deren Namen und für deren Rechnung Transporte durch und stellt sich mit seinem Fahrzeug, das im Aussehen und in der Ausführung den übrigen von der … verwendeten Fahrzeugen entspricht zur Verfügung.
2. Die Mini-Trans betreibt die Kundenwerbung, stellt eine Funkanlage für das Transportfahrzeug zur Verfügung und schließt es an ihr per Funk betriebenes Auftragsvergabesystem an.
§ 2 Gegenseitige Rechnungslegung
1. Der Unternehmer stellt der … seine Transportleistungen gem. Anlage 1 in Rechnung. Dies gilt auch für Frachter löse aus Transporten, mit deren Durchführung der Unternehmer, in seiner Eigenschaft als Unter-Frachtführer, selbst oder seine Hilfspersonen vom Kunden beauftragt wurde.
2. Unabhängig davon, ob der Unternehmer Transportaufträge annimmt, stellt ihm die … eine Wochengebühr, zuzügl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer, in Rechnung.
§ 3 Haftung für Transportschäden
1. Der Unternehmer haftet der … gegenüber insoweit, wie diese aufgrund ihrer Verantwortlichkeit für einen eingetretenen Transportschaden von Dritten in Anspruch genommen wird.
….
§ 4 Wettbewerbsverbot
1. Der Unternehmer verpflichtet sich, zugleich auch für seine Gehilfen, für die Laufzeit des Vertrages unabhängig davon, ob er ihm von der … erteilte Transportaufträge durchführt, jede Handlung zu unterlassen,...