Entscheidungsstichwort (Thema)
Absenkung des Zugangsfaktors wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente
Orientierungssatz
1. Zur Absenkung des Zugangsfaktors aufgrund einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit und zur Anwendung der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs 2 SGB 6.
2. § 237 Abs 2 SGB 6 macht die Inanspruchnahme der Vertrauensschutzregelung nicht lediglich von einer Willenserklärung des Arbeitnehmers abhängig, sondern von einer (zweiseitigen) Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und seiner Firma.
3. Solange der Arbeitgeber auf den Antrag eines Arbeitnehmers auf Inanspruchnahme der Vorruhestandsregelung noch nicht verbindlich iS einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung mit Angabe eines exakten Beendigungstermins reagiert hat, lag eine verbindliche Vereinbarung noch nicht vor. Erst ab der Kündigung wußte der Arbeitnehmer, ob überhaupt und wann sein Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet sein würde.
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob sich die Altersrente des Klägers durch einen abgesenkten Zugangsfaktor aufgrund einer vorzeitigen Inanspruchnahme verringert.
Der ... 1937 geborene Kläger war von April 1968 bis 30. Juni 1996 bei der Stadtwerke B AG beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis endete nach einer Kündigung der Arbeitgeberin. Ab Juli 1996 war der Kläger arbeitslos.
Die Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses erfolgte im Zusammenhang mit dem Abbau von rd. 230 Stellen innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren. Diesem Personalabbau lag die mit dem Gesamtbetriebsrat der Stadtwerke B AG abgeschlossene Betriebsvereinbarung Nr. 5/95 vom 1. April 1995 über einen "Interessenausgleich zum Entwicklungskonzept" zugrunde. In der Präambel heißt es, mit dem Entwicklungskonzept werde das Ziel verfolgt, die Stadtwerke B AG zu einem leistungsfähigen Dienstleistungsunternehmen umzubauen, die Effizienz, die Produktivität und das Ergebnis zu steigern, neue Geschäftsfelder zu erschließen und langfristig zukunftsorientierte Arbeitsplätze zu sichern. In Teil 4 der Betriebsvereinbarung Nr. 5/95 vom 1. April 1995 werden als Sozialplan i.S. des § 112 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) u.a. Regelungen über den Ausschluß betriebsbedingter Kündigungen und unter Hinweis auf die Anlage 2 "Vorruhestand" über einen Vorruhestand getroffen. Gemäß Ziff. 4. 3 der Betriebsvereinbarung Nr. 5/95 können Mitarbeiter, die die in der Anlage 2 ("Vorruhestand") genannten Voraussetzungen erfüllen, "einen Vorruhestand entsprechend der Anlage 2 in Anspruch nehmen". Die Anlage 2 "Vorruhestand" regelt im einzelnen die Voraussetzungen, unter denen Mitarbeiter einen Anspruch auf Vorruhestand mit Überbrückungshilfe (Abfindung) in Höhe von 95% des um die Abzüge verminderten Bruttoarbeitsentgelts haben. Nach § 2 muß der Mitarbeiter a) mindestens das 57. Lebensjahr vollendet haben, b) voraussichtlich eine Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen können und d) eine Anwartschaft zum Bezug von Arbeitslosengeld gemäß Arbeitsförderungsgesetz (AFG) haben. § 3 der Anlage 2 "Vorruhestand" lautet wie folgt:
"Es müssen folgende sachlichen Voraussetzungen vorliegen:
a) Schriftlicher Antrag des Mitarbeiters auf Einleitung einer Vorruhestandsregelung. Der Antrag kann vor Vollendung des 57. Lebensjahres gestellt werden.
b) Das Arbeitsverhältnis endet aufgrund betriebsbedingter Kündigung.
Die Gesellschaft ist verpflichtet, Anträge auf einen Vorruhestand wie folgt zu realisieren:
1. Wenn die wesentlichen Aufgaben eines mindestens 57 jährigen Mitarbeiters weggefallen sind oder auf einen anderen Mitarbeiter übertragen worden sind, dessen wesentliche Aufgaben wegfallen oder wiederum einem anderen Mitarbeiter übertragen worden sind und am Ende einer solchen nachvollziehbaren Kette ein Stellenwegfall eintritt, muß der Antrag des Mitarbeiters unverzüglich realisiert werden.
2. Bei denjenigen Mitarbeitern, bei denen die Voraussetzungen des § 3 b Nr. 1 nicht vorliegen, ist die Gesellschaft berechtigt, Anträge,
die im Jahre 1995 gestellt werden, bis zu einem Zeitraum von maximal 15 Monaten und,
die im Jahre 1996 gestellt werden, bis zu einem Zeitraum von maximal 9 Monaten
zurückzustellen, wobei die Anträge des Jahres 1995 spätestens zum 30. September 1996 zu realisieren sind....
3. Vertritt die Gesellschaft die Ansicht, daß der Mitarbeiter über den maßgeblichen Zeitraum hinaus aus dringenden betrieblichen Gründen, insbesondere wegen fehlendem innerbetrieblichem Nachfolger, der Vorruhestand nicht realisiert werden kann, bedarf es der Zustimmung des zuständigen Betriebsrates. § 87 Abs. 2 BetrVG gilt entsprechend.
4. Erfüllen mehrere Mitarbeiter die gleichen Voraussetzungen und können nicht alle Mitarbeiter zum gleichen Zeitpunkt in den Vorruhestand gehen, so wird nach sozialen Gesichtspunkten verfahren, insbesondere nach Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und gesu...