Verfahrensgang

SG Potsdam (Urteil vom 30.12.1996; Aktenzeichen S 9 V 68/95)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 30. Dezember 1996 geändert. Das beklagte Land wird verurteilt, dem Kläger unter Anrechnung bereits gewahrter Leistungen für die Zeit vom 01. Januar 1993 bis zum 30. Juni 1993 Versorgungsbezüge in Höhe von 448,00 DM monatlich und für die Zeit ab 01. Juli 1993 Versorgungsbezüge in Hohe von 514,00 DM monatlich zu zahlen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte.

Die Revision wird nicht Zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten zunächst darüber, ob der beim Kläger vorliegende Hörschaden als Schädigungsfolge im Sinne des § 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) anzuerkennen ist. Darüber hinaus ist streitig, ob und in welcher Hohe der Kläger Anspruch auf Grundrente hat.

Der 1918 geborene, nunmehr 78 Jahre alte Kläger erlernte vor dem Krieg den Beruf eines Fleischergesellen, wurde – nach eigenen Angaben im April 1939 – zur Wehrmacht eingezogen und geriet im Juni 1944 als Soldat an der Ostfront in russische Kriegsgefangenschaft, aus der er im September 1949 wieder heimkehrte. Ab Oktober 1949 nahm der Kläger eine Tätigkeit in seinem erlernten Beruf im VEB (K) Fleischwarenfabrik E. auf und arbeitete durchgehend in diesem Betrieb, nach Ablegung der Meisterprüfung im Juli 1954 als Lehrausbilder und Meister. Zum 01.06.1982 wurde der Kläger invalidisiert und bezieht heute Altersrente.

Mit Antrag vom 12.11.1990, eingegangen am 01.03.1991 beim Versorgungsamt Potsdam, begehrte der Kläger Beschädigtenversorgung wegen einer Hörschädigung, die er im Juni 1944 an der Ostfront bei Witebsk erlitten habe. Hierzu gab er an, daß bei einem Feuergefecht eine Geschützkanone durch einen Rohrkrepierer entzwei gegangen sei und er dabei, in der Nahe stehend, an seinem Gehör durch die Detonation schwer geschädigt worden sei. Seinem Antrag fügte der Kläger eine Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S. (11.10.1990) sowie der Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. R. (29.10.1990) bei. Letztere gab in ihrer Bescheinigung an, daß der Kläger nach der Lärmeinwirkung 1944 nach seinen Angaben einige Zeit danach nichts habe hören können. 1968 und 1970 seien in der HNO-Klinik der C. in P. an beiden Ohren Stapes-Operationen vorgenommen worden. Der Kläger sei auf dem linken Ohr taub und rechts hochgradig schwerhörig mit Beteiligung des Innenohres. Ein Lärmtrauma sei möglich. Desweiteren fügte der Kläger zwei schriftliche Erklärungen von Kriegskameraden aus der Zeit der gemeinsamen Kriegsgefangenschaft sowie eine weitere schriftliche Erklärung eines Arbeitskollegen bei. Die Erklärungen bestätigen im wesentlichen die Angaben des Klägers, wonach er schon in der Kriegsgefangenschaft schlecht gehört habe. Auch wahrend der Tätigkeit als Fleischer sei er hörgeschädigt gewesen Außerdem übersandte der Kläger in Kopie noch seinen Entlassungsschein aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft, seinen Kriegsgefangen-Ausweis sowie seine Anmeldekarte nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft.

Das Versorgungsamt forderte von der HNO-Klinik der C. in B. erfolglos medizinische Unterlagen an. Darüber hinaus holte es einen Befundbericht der Fachärztin für HNO-Heilkunde Dr. R. (29.03.1992) ein.

Mit Vorbehaltsbescheid vom 14.10.1992 gewahrte das Amt für Soziales und Versorgung Potsdam dem Kläger wegen eines „Hörschaden beiderseits” Beschädigtenversorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 vom Hundert ab dem 01.01.1991. Im Bescheid wird darauf hingewiesen, daß die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien und der Vorbehalt sich sowohl auf die Anerkennung der Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge als auch auf den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit – MdE – und die Hohe der Versorgungsleitungen erstrecke.

Auf Anforderung des Versorgungsamtes übersandte der Kläger noch sein Arbeitsbuch sowie seine Sozialversicherungsausweise und machte unter Hinzufügung entsprechender Urkunden (Lehrvertrag vom 01.11.1934, Lehrbrief und Prüfungszeugnis vom 18.05.1938, Prüfungszeugnis über die Meisterprüfung vom 07.07.1954) Angaben zu seinem beruflichen Werdegang.

Mit maschinell erstelltem Bescheid vom 03.11.1992, überschrieben mit „Vorbehaltsbescheid nach dem BVG und gekennzeichnet als Anlage zum Bescheid vom 14.10.1992”, teilte das Amt für Soziales und Versorgung Potsdam dem Kläger die Hohe seiner Versorgungsbezüge und deren Berechnung mit. Mit weiteren maschinellen Bescheiden des Amtes für Soziales und Versorgung Potsdam vom 10.12.1992 und 10.06.1993 wurden die Versorgungsbezüge des Klägers nach § 48 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB) für die Zeit ab 01.01. bzw. 01.07.1993 im Wege der Anpassung – weiterhin auf der Basis einer MdE von 70 vom Hundert – neuberechnet. Einen Passus, wonach auch diese Bescheide unter dem Vorbehalt einer nicht abweichenden endgültigen Entscheidung ergehen, enthalten die Bescheide nicht. Wegen der sonst...

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