Verfahrensgang

SG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 26.02.1993; Aktenzeichen S 6 (1) An 155/91)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.09.1994; Aktenzeichen 4 RA 10/94)

 

Tenor

Auf die Anschlußberufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 26. Februar 1993 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 1991 wird aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten für die erste und zweite Instanz zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten auch im Berufungsverfahren darum, ob dem Kläger über den 31.07.1991 hinaus die bis dahin gewährte Dienstbeschädigungs-Teilrente weiterhin zu zahlen ist.

Der am … 1939 geborene Kläger war zuletzt im Range eines Oberstleutnants Angehöriger der Nationalen Volksarmee der DDR (NVA) und wurde mit Ablauf des 31. Dezember 1990 entlassen. Wegen einer Dienstunfallverletzung aus dem Jahre 1970 – Fraktur des rechten oberen Sprunggelenks – bewilligte das Verteidigungsbezirkskommando Frankfurt (Oder) ab 01. Januar 1991 eine Dienstbeschädigungs-Teilrente, bemessen nach einem dienstbedingten Körperschaden von 20 v. H. Der Rentenbescheid vom 17. Dezember 1990 wies nach der Ordnung Nr. 005/9/003 des Ministers für Nationale Verteidigung über die soziale Versorgung der Angehörigen der Nationalen Volksarmee (Versorgungsordnung) vom 01. September 1982 (abgedruckt bei Aichberger II, Ergänzungsband für die neuen Bundesländer, Nr. 230), ausgehend von einer monatlichen Durchschnittsbesoldung von 2.614,90 DM und einer Höhe der Teilrente von 392,23 DM eine monatlich zu zahlende Leistung in Höhe von 197,– DM aus, weil neben einer anderen, nicht gleichartigen Rente die niedrigere nur zur Hälfte zu zahlen sei. Neben der Teilrente erhielt der Kläger eine „befristete erweiterte Versorgung” (beV) in Höhe von 1.569,– DM aufgrund eines weiteren Bescheides vom 17. Dezember 1990 (erhöht mit Bescheid vom 11.02.1991 auf 1.596,– DM). Ab 01. Dezember 1991 bezog er Invalidenrente in Höhe von 1.962,– DM.

Mit Bescheid vom 25.07.1991 wurde die Zahlung der Dienstbeschädigungs-Teilrente durch das Wehrbereichsgebührnisamt VII – Außenstelle Frankfurt (Oder) – nach Maßgabe des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG) zum 01. August 1991 eingestellt: Teilrenten würden neben der befristeten erweiterten Versorgung seit dem Inkrafttreten des AAÜG nicht mehr gewahrt. Hiergegen hat der Kläger am 09.09.1991 Widerspruch eingelegt und darauf hingewiesen, daß er sich zusammen mit seiner Frau zu einer Heilkur befunden habe, weshalb ihm der Bescheid erst am 03.09.1991 übergeben worden sei. Der Wegfall seiner Rente verletze den nach dem Einigungsvertrag zugesicherten Besitzstand und den Vertrauensschutz. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 19.11.1991 zurückgewiesen. Gegenüber dem von ihm am 03. Dezember 1991 angerufenen Kreisgericht Frankfurt (Oder) – Kammer für Sozialrecht – hat der Kläger geltend gemacht, seine Dienstbeschädigung stehe einem Arbeitsunfall gleich und dementsprechend müßten die Leistungen jedenfalls als Unfallrenten weitergezahlt werden.

Das – inzwischen zuständig gewordene – Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat die Beklagte am 26.02.1993 zur Zahlung der Teilrente auch für August und September 1991 verurteilt, die Klage im übrigen abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen: Die Beklagte sei zur Zahlungseinstellung bereits für die Monate August und September 1991 nicht berechtigt gewesen, denn der Aufhebungsbescheid – den der Kläger erst dann erhalten habe – sei erst im September 1991 wirksam geworden; die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung lägen nicht vor. Ein „Selbstvollzug des Gesetzes” sei nicht gegeben (Hinweis auf BSGE 58, 72; BSG SozR 1300, § 48 Nr. 57, Seite 174). Das AAÜG biete für einen Selbtsvollzug aufgrund der zahlreichen Verweisungen auf die Vorschriften des X. Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) keinen Anhaltspunkt. Ein schriftlicher Verwaltungsakt gelte mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben (§ 37 Abs. 2 SGB X). Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Postausgangsliste vom 26. Juli 1991 sei der Aufhebungsbescheid an diesem Tag zur Post gegeben worden und gelte daher als am 29. Juli 1991 bekanntgegeben. Die Zugangsfiktion sei jedoch eine widerlegbare Vermutung (Hinweis auf Grüner, Kommentar zum Sozialgesetzbuch, Anmerkung V 3 zu § 37). Es sei von einer tatsächlichen Bekanntgabe im September 1991 auszugehen, denn der Kläger habe die Zugangsfiktion widerlegt, indem er zur Überzeugung der Kammer vorgetragen habe, den Verwaltungsakt nicht vor dem 3. September 1991 erhalten zu haben – ohne jedoch das genaue Zugangsdatum angeben zu können – da er sich zusammen mit seiner Ehefrau von Anfang August 1991 bis Anfang September 1991 auf einer Kur befunden habe. Aufgru...

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