Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungsfrist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Verschulden. Fax. Störung des Empfangsgeräts. Nachtbriefkasten
Leitsatz (amtlich)
Wartet der Kläger bis zum späten Nachmittag des letzten Tages der Berufungsfrist, bevor er zum ersten Mal versucht, die Berufungsschrift per Telefax an das SG oder LSG zu senden, und kommt die Faxverbindung nicht zustande, ist es ihm zumutbar, die Berufungsschrift mit dem Auto zu Gericht zu bringen, um sie dort in den Nachtbriefkasten einzuwerfen, wenn dies innerhalb der noch verbleibenden Zeitspanne bis Mitternacht unschwer möglich ist. Eine anstatt dessen die Berufungsschrift an die ihm bekannte Fax-Nr der Arbeitsagentur sendet.
Normenkette
SGG § 151 Abs. 1-2, §§ 67, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 105 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
SG für das Saarland (Gerichtsbescheid vom 30.04.2004) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 30.04.2004 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten in der Sache über die Übernahme von Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung.
Mit Bescheid vom 28.05.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 des 10. Buchs des Sozialgesetzbuchs, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) nachträglich für das Kalenderjahr 1999 die Übernahme von Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung, für die Kalenderjahre 2000 und 2001 die Übernahme von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung.
Mit weiterem Bescheid vom 28.05.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit des Bezuges von Unterhaltsgeld vom 01.01.2002 bis 28.04.2002 die Übernahme von Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1.500,55 EUR.
Am 01.07.2002 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 28.05.2002 Widerspruch ein.
Nachdem der Kläger trotz Erinnerung den Widerspruch nicht begründet hatte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2002 als unbegründet zurück, wobei sie ausführte, dass beide Bescheide vom 28.05.2002 überprüft worden seien, aber nicht ersichtlich gewesen sei, aus welchen Gründen eine der genannten Entscheidungen habe rechtswidrig sein sollen.
Der Widerspruchsbescheid enthält keinen Vermerk dazu, wann er abgesandt wurde, sondern lediglich einen Erledigungsvermerk vom 23.10.2002.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger mit Telefax vom 27.11.2002 Klage erhoben, ohne diese zu begründen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30.04.2004 abgewiesen, wobei es zur Begründung ausgeführt hat, dass die Verwaltungsakte als Ab-Verfügung des streitigen Widerspruchsbescheides den 23.10.2002 ausweise. Nach § 37 Abs. 2 SGB X gelte der Bescheid mit dem dritten Tag zur Aufgabe zur Post (gemeint war: nach der Aufgabe zur Post), mithin am 26.10.2002, als bekannt gegeben. Die Klage sei erst am 27.11.2002 bei Gericht eingegangen und daher verfristet. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
Gegen den am 12.05.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit einem am 14.06.2004 bei der Agentur für Arbeit S… eingegangenen Telefax Berufung eingelegt, wobei er beantragt hat, nach § 105 SGG die mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Berufungsschrift ist von der Agentur für Arbeit S.… an das SG weitergeleitet worden und dort am 24.06.2004 eingegangen.
Zur Begründung der Berufung hat der Kläger zunächst vorgetragen, dass der Widerspruchsbescheid zwar das handgeschriebene Datum 23.10.2002, der dazu gehörende Briefumschlag aber den 24.10.2002 als Poststempeldatum trage. Die Aufgabe zur Post habe demzufolge nicht am 23.10., sondern am 24.10.2002 stattgefunden. Das Bekanntgabedatum sei somit der 27.10. und die am 27.11.2002 eingereichte Klage demzufolge nicht verfristet. Das tatsächliche Zustellungsdatum sei sogar der 28.10.2002.
Auf Hinweis des Senats, dass die eingegangene Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist unzulässig sei und der Senat deshalb erwäge, die Berufung gem. § 158 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen, hat der Kläger mit Telefax vom 15.11.2004 mitgeteilt, dass er nicht mit einem Beschluss nach § 158 SGG einverstanden sei; er sei außerdem nicht der Meinung, eine Frist versäumt zu haben.
In dem vor dem Berichterstatter durchgeführten Erörterungstermin vom 18.02.2005 hat der Kläger erstmals die von ihm geltend gemachten Forderungen mit insgesamt 1.546,68 EUR beziffert und ergänzend vorgetragen, dass er am 14.06.2004 zunächst versucht habe, die Berufungsschrift an das SG per Telefax zu übersenden. Da ihm nur die Telefax-Nr. 9063-200 bekannt gewesen sei, sei ihm dies nicht gelungen, weil zu diesem Zeitpunkt die Faxnummer des SG bereits geändert worden sei. Dies sei nicht öffen...