Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen wegen Arbeitslosigkeit. Wohnsitzprinzip. Echter Grenzgänger. Unechter Grenzgänger. Wahlrecht
Leitsatz (amtlich)
Eine echte Grenzgängerin kann grundsätzlich Leistungen bei Vollarbeitslosigkeit nur nach den Vorschriften des Landes erhalten, in dem sie wohnt. Ausnahmsweise wird das dem unechten Grenzgänger vorbehaltene Wahlrecht auf echte Grenzgänger erstreckt, wenn der Betroffene zum früheren Beschäftigungsstaat persönliche und berufliche Bindungen aufrechterhält, so dass er dort die besten Aussichten auf Wiedereingliederung hat.
Normenkette
SGB I § 30; EG-VO 1408/71 Art. 71 Abs. 1a, 1b
Verfahrensgang
SG für das Saarland (Urteil vom 15.01.2004) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 15. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet war, der Klägerin Arbeitslosengeld (Alg) zu bewilligen.
Die am 1953 in G.E geborene Klägerin besuchte die Volksschule und sodann die Realschule in V.. Sie absolvierte eine einjährige Berufsausbildung zur Krankenpflegehelferin im H. Krankenhaus in S.. Dieser Abschluss sei, so die Klägerin, in Frankreich nicht anerkannt. Die Klägerin arbeitete nach ihrer Ausbildung zunächst im H. Krankenhaus, dann im W.-Krankenhaus. Die Berufsausübung wurde aus familiären Gründen unterbrochen.
Am 1973 heiratete die Klägerin einen Franzosen. Durch die Heirat wurde sie Französin. Sie zog alsdann nach Frankreich. Mittlerweile erwarb die Familie ein Haus in M..
Die Eltern der Klägerin lebten in G.E. Die Klägerin besuchte ihre Eltern häufig, ihre Mutter lebt mittlerweile im Altersheim in D. ihr Vater ist im 2000 verstorben. Die drei Brüder der Klägerin leben in Deutschland, in G., M. und F.. Die Klägerin pflegt mit ihnen und einer Freundin in E. nach wie vor regelmäßigen Kontakt.
Die Klägerin hat drei Kinder, einen am 1974. geborenen Sohn, einen zweiten Sohn, der am 1976. geboren ist und eine Tochter, die am 1982. zur Welt kam.
Der ältere Sohn arbeitet bei der T. in L. Er ist geschieden. Der jüngere Sohn ist arbeitslos. Er ist jetzt wieder bei der Klägerin eingezogen. Eine Familie habe er, da er keine feste Stelle habe, nicht gründen können. Die Tochter studiert in L.I.. Die Klägerin hat keine Enkel. Ihr Ehemann, mit dem sie mittlerweile in Scheidung lebt, hat das gemeinsame Haus verlassen.
Ab 1990 nahm die Klägerin wieder eine Berufstätigkeit auf, und zwar zunächst als Küchenhilfe im Deutschen-Roten-Kreuz (DRK)-Krankenhaus in S.A., ab 01. Mai 1994 als Krankenpflegehelferin in Teilzeit (28,88 Stunden/Woche). Sie war von 28. Februar 1998 bis 13. August 1998 und vom 22. Oktober 1998 bis 30. November 1998 arbeitsunfähig erkrankt. Vom 21. März 2000 bis 06. August 2001 bezog sie erneut Krankengeld bis zur Aussteuerung durch die AOK. Das fiktive Bruttoarbeitsentgelt betrug 3.346,37 DM. Ihr Arbeitgeber verzichtete seit der Aussteuerung auf sein Direktionsrecht.
In einer parallel betriebenen, noch nicht abgeschlossenen Rentensache ist ihr von ihrem französischen Hausarzt bescheinigt worden, sie könne wegen orthopädischen Beschwerden leichte Arbeiten auf Dauer nicht mehr verrichten.
Die Klägerin meldete sich am 14. August 2001 in Deutschland arbeitslos. Sie beantragte am 26. September 2001 die Bewilligung von Alg. Der dabei ausgestellten Arbeitsbescheinigung ist zu entnehmen, dass das Beschäftigungsverhältnis beendet sei, da auf das Direktionsrecht des Arbeitgebers verzichtet werde.
Mit Bescheid vom 05. Oktober 2001 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Alg ab, da sie nicht die Voraussetzung für die Anerkennung der atypischen Grenzgängereigenschaft erfülle. Sie habe bereits vor ihrer Arbeitsaufnahme ihren Wohnsitz nach Frankreich verlegt. Die Entscheidung stützt sich auf § 30 Abs. 1 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs – Allgemeiner Teil – (SGB I) in Verbindung mit Art. 71 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Amtsblatt Nr. L 149 vom 05. Juli 1971, Seite 2 bis 50; zuletzt geändert am 29. März 1999 durch Verordnung 1399/1999, Amtsblatt Nr. L 164 Seite 1 ≪VO 1408/71≫). Die Klägerin erfülle den Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) ebenfalls nicht, da sie innerhalb der Vorfrist von einem Jahr vor dem 14. August 2001 kein Alg bezogen habe. Die Entscheidung beruhe auf § 117, 123, 124, 190,191 und 192 des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs – Arbeitsförderung – (SGB III).
Die Rechtsbehelfsbelehrung zu diesem Bescheid lautete wie folgt:
„Gegen diesen Bescheid ist der Widerspruch zulässig. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei dem oben gezeichneten Arbeitsamt einzureichen, und zwar innerhalb eines Monats, nachdem der Bescheid Ihnen bekannt gegeben worden ist.”
Mit Schr...