Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Wettkampf-Ringer. Abgrenzung. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. sozialgerichtliches Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Über Bescheide, die während des Berufungsverfahrens ergangen und gem § 96 SGG Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden sind, entscheidet das Berufungsgericht als erste Instanz, also auf Klage.

2. Zur Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung bei einem für einen Verein der Ringerbundesliga tätigen Ringkampfsportler.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 09.11.2009 sowie der Bescheid der Beklagten vom 15.01.2008 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 23.06.2008, des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2008, des Änderungsbescheides vom 18.02.2010 und des Rücknahmebescheides vom 29.07.2010 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit für den Kläger in der Zeit vom 29.07.2007 bis 23.02.2008 in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung nicht versicherungspflichtig ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1).

Der Kläger nimmt als eingetragener Kraftsportverein mit einer Mannschaft an der 1. Ringer-Bundesliga teil; zu dieser Mannschaft zählt seit der Saison 2007/2008 auch der Beigeladene zu 1).

Am 12.09.2007 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1). In dem Antragsformular wurde u.a. angegeben, dass der Beigeladene zu 1) auch als Fitnesstrainer im Sportstudio R.H. in P. beschäftigt sei.

In dem zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) am 10.05.2007 abgeschlossenen Vertrag war unter § 1 vereinbart worden, dass der Beigeladene zu 1) für die Zeit vom 29.09.2007 bis 23.02.2008 als Ringkampfsportler für den Kläger tätig werde. In § 2 des Vertrages heißt es u.a.:

“1. … Der Auftragnehmer ist selbstverständlich verpflichtet, während der Laufzeit des Vertrages in gut trainiertem Zustand unter Beachtung seines Gewichts und der Eigenarten seiner Stilart seine Leistung zu erbringen. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen berechtigt den Auftraggeber zur fristlosen Kündigung des Vertrages. Der Auftragnehmer unterliegt keinem Weisungs- und Direktionsrecht und ist in Bezug auf Zeit, Dauer, Art und Ort der Vorbereitungs/Trainingszeit frei und nicht in die Organisation des Auftraggebers eingebunden. Der Auftragnehmer bereitet sich insbesondere nach selbstentwickelten und bewährten Trainingsmethoden vor; aufgrund der langjährigen Erfahrung besteht auch während der Kämpfe keine Weisungsgebundenheit gegenüber dem Auftraggeber

2. …

3. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, sich übermäßigem Alkohol- und Nikotingenuss zu enthalten. Er erklärt ferner, keine Dopingmittel zu sich genommen zu haben, noch solche während der Vertragslaufzeit zu sich zu nehmen …

4. Der Auftraggeber wird dem Auftragnehmer vor Beginn der Kampfsaison unmittelbar nach Bekanntgabe durch den Deutschen Ringerbund e.V. die Kampftermine vorlegen. Auftragnehmer wird Auftraggeber spätestens 4 Wochen vor Rundenbeginn mitteilen, für welche Kampftage er den Kampfauftrag annimmt.

5. Der Auftragnehmer hat das Recht, außerhalb seiner Aufgabe als Ringkampfsportler auch für andere Auftraggeber tätig zu werden. Er unterliegt insoweit keinerlei Ausschließlichkeitsbedingungen und/oder einem Wettbewerbsverbot; dies gilt insbesondere für die Möglichkeit als Werbeträger tätig zu werden. Diese Werbetätigkeit bedarf jedoch der Zustimmung des Auftraggebers zur Vermeidung von Kollisionen mit dem Sponsorenbereich des Auftraggebers …

6. Der Auftragsnehmer ist verpflichtet, eigenständig für die Abführung der ihn betreffenden Einkommensteuer sowie ggfls. Umsatzsteuer Sorge zu tragen.„

Durch § 3 des Vertrages wurde eine ordentliche Kündigung des Vertrages während der Laufzeit ausgeschlossen, während eine fristlose Kündigung jederzeit bei grobem Vertragsverstoß durch eine der Vertragsparteien möglich sein sollte. Nach § 4 des Vertrages erhielt der Beigeladene zu 1) vom Kläger für die Bereitstellung seiner Leistung als selbständiger Ringkampfsportler eine Vergütung von 10.000,00 € pauschal, weiterhin 1.000,00 € pro Kampfeinsatz Halbfinale und Finale und die Miete für die Unterkunft. Zu diesem Honorar sollte bei Nichtvorliegen der Kleinunternehmereigenschaft im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (UStG) die jeweils geltende gesetzliche Umsatzsteuer hinzukommen.

Vom Kläger wurde weiter vorgelegt eine Bescheinigung des Finanzamtes Saarbrücken vom 25.04.2007, worin zur Vorlage beim Deutschen Ringer-Verband bestätigt wurde, dass die für den Kläger eingesetzten Sportler eine gewerbliche Tätigkeit ausübten.

Weiterhin legte der Kläger Gehaltsabrechnungen des Beigeladenen zu 1) hinsichtlich der Tätigkeit für das ...

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