Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hautstraffungsoperation. Genehmigungsfiktion im Sinne von § 13 Abs 3a SGB 5. Rücknahmebescheid. Berufung. Verfahrensgegenstand

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Genehmigungsfiktion iS von § 13 Abs 3a SGB 5 kommt auch bei einer Hautstraffungsoperation als Sachleistung in Betracht.

2. Im Berufungsverfahren wird ein nach Berufungseinlegung erlassener Bescheid, der den nach § 13 Abs 3a SGB 5 fingierten Verwaltungsakt zurücknimmt, Gegenstand des Verfahrens.

3. Eine nach § 13 Abs 3a SGB 5 fingierte Genehmigung einer Krankenbehandlung kann nicht mit der Begründung zurückgenommen werden, ein Krankenbehandlungsanspruch sei nach § 27 SGB 5 nicht gegeben (der Senat folgt BSG vom 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 33).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.11.2017; Aktenzeichen B 1 KR 15/17 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 11.2.2015 aufgehoben sowie der Bescheid vom 24.7.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.11.2014 abgeändert.

Auf die Klage der Klägerin wird der Bescheid vom 28.12.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.3.2017 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin mit einer Hautstraffungsoperation am Bauch zu versorgen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu ¾ zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Klägerin mit einer Hautstraffungsoperation zu versorgen hat.

Die 1957 geborene Klägerin stellte unter dem 13.5.2014, bei der Beklagten eingegangen am 4.6.2014, über die Ärztin Dr. Ve. in S. einen Antrag auf Kostenübernahme von Hautüberschuss-Operationen an Brust, Bauch, Arm und Oberschenkel. Sie sei im Februar 2013 mit einem Magenbypass versorgt worden und habe vor 4 Jahren eine Mammareduktionsplastik erhalten. Seither habe sie über 50 kg abgenommen. Es bestünden eine Asymmetrie sowie Narben an den Brüsten und störende Hautüberschüsse an den übrigen Körperteilen.

Nachdem die Klägerin einen Termin beim Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten (SMD) am 30.6.2014 nicht wahrgenommen hatte, erstellte der SMD am 16.7.2014 nach Untersuchung der Klägerin ein Gutachten. Die Klägerin fühle sich nach der Gewichtsabnahme wesentlich besser, insbesondere im bekleideten Zustand. Nach Ablegen der Kleidung sei sie aber fast so unglücklich wie zuvor, weil die Haut stark herabhänge. Die Sachverständige fand eine schlaffe Haut bei überschüssigem Gewebe nach der Gewichtsreduktion, aber im Bereich der Arme und Oberschenkel keine wesentliche tiefe Faltenbildung. Eine funktionelle Einschränkung durch Hautüberschüsse im Bereich von Armen, Bauch und Oberschenkel sei nicht zu erkennen und es gebe auch keine Entzündungen in den Falten. Im Bereich der Brüste zeige sich bei einer Asymmetrie ein unbefriedigendes kosmetisches Ergebnis hinsichtlich Form und Größe bei ausgedehnten Narben und Hautüberschüssen im Bereich der Achseln. Man empfehle keine operativen Maßnahmen an Oberarmen, Oberschenkeln und Bauch, ein regelwidriger Zustand mit entstellender Wirkung und Narben im Bereich der Brust führe aber zu einer Befürwortung einer Bruststraffung.

Mit Bescheid vom 24.7.2014 gewährte die Beklagte die Brustkorrektur, lehnte aber die übrigen operativen Maßnahmen an Oberarmen, Oberschenkeln und Bauch ab, weil funktionelle oder entstellende Beeinträchtigungen nicht festzustellen seien.

Hiergegen wehrte sich die Klägerin mit Widerspruchsschreiben vom 31.7.2014. Auch die Haut an den übrigen Körperteilen sei hässlich und passe nicht zum Körper; dies sei Folge der Operationen und der Gewichtsabnahme nach dem Magen-Bypass. Lieber wäre sie gestorben, als noch 30 Jahre mit der hässlichen Haut zu leben. Dies mache sie depressiv und krank.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5.11.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Im Klageverfahren hat die Klägerin ihre Argumentation wiederholt und vertieft und ihre gesundheitliche Situation intensiv geschildert. Vor der Magenbypass-Operation habe sie keine solche Haut gehabt, die überhänge und auf die Kniegelenke drücke. Sie habe auch Rückenbeschwerden, weil die Haut die Wirbelsäule verschiebe.

Mit Gerichtsbescheid vom 11.2.2015 hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) die Klage abgewiesen. Im Wesentlichen hat es ausgeführt, es gebe nach den eigenen Darlegungen der Klägerin und der Fotodokumentation, den Attesten und dem Gutachten keine körperliche Beeinträchtigung mit Krankheitswert. Durch die Hautschürzen seien keine Funktionsbeeinträchtigungen mit einem regelwidrigen Körperzustand entstanden. Die Klägerin gehe zunächst selbst davon aus, dass es eine kosmetische Operation sei, Funktionseinschränkungen würden nicht genannt, sondern Juckreiz und Hautwunden. Diese könnten konservativ behandelt werden und sie sei auch nicht in fachärztlicher Behandlung deswegen. Wenn sie nunmehr Schmerzen im Bereich Rücken und Kniegelenke sowie Venenprobleme geltend mache, führe dies nicht zu ein...

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