Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Existenzgründungszuschuss. Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat. Wohnsitz im Inland. Territorialprinzip. Sinn und Zweck der Leistung. Verstoß gegen EG-Recht
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf einen Existenzgründungszuschuss für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit (sog "Ich-AG") besteht nicht bei der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit außerhalb des Geltungsbereiches des SGB 3, auch wenn der Antragsteller seinen Wohnsitz im Geltungsbereich des SGB 3 hat.
2. Sinn und Zweck eines solchen Zuschusses ist im Wesentlichen die Abdeckung von Kosten der Beitragszahlung zu den sozialen Sicherungssystemen, die bei der Aufnahme einer an sich förderungswürdigen Tätigkeit außerhalb des Geltungsbereiches des SGB 3 nicht anfallen.
3. Europarechtliche Vorschriften, insbesondere der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und die EWGV 1408/71, verpflichten die Arbeitsverwaltung nicht, die Aufnahme selbständiger Tätigkeiten außerhalb des Geltungsbereiches des SGB 3 zu fördern.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 15.12.2005 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses.
Der 1973 geborene Kläger stellte am 26.02.2004 einen Antrag auf Gewährung eines Existenzgründungszuschusses zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gemäß § 421 l Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III). Geplant war die Aufnahme einer Tätigkeit als deutscher Rechtsanwalt in Luxemburg gemäß der Richtlinie 98/5/EG (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 14.03.1998, L 77/36 ff.) ab dem 01.03.2004.
Mit Bescheid vom 16.03.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses ab. Zur Begründung führte sie an, dass der Antrag abgelehnt werde, weil die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit in Luxemburg geplant sei und sich somit nicht im Geltungsbereich des SGB III befinde.
Hiergegen legte der Kläger am 06.04.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, dass es für den Bescheid keine Ermächtigungsgrundlage gebe, keine ausreichende Begründung vorhanden sei und dass § 421 l SGB III örtlich, persönlich und sachlich anwendbar sei. § 421 l SGB III könne nicht entnommen werden, dass nur selbständige Tätigkeiten auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gefördert würden. Es seien die nationalen Vorschriften über die Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung anzuwenden, da die gesetzlich vorgeschriebenen Anknüpfungsmerkmale im Territorium der Bundesrepublik gegeben seien. Er sei Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland und habe seinen Wohnsitz im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs. Seit dem 10.03.2004 sei er durch die Rechtsanwaltskammer K. beim Landgericht B. K. und beim Amtsgericht I.-O. als Rechtsanwalt zugelassen. Er sei im B. d. l. P., L-2023 Luxemburg als selbständiger Jurist tätig. Ein Antrag auf Zulassung bei der Rechtsanwaltskammer Luxemburg zur Erzielung der Eintragung als europäischer Rechtsanwalt gemäß der Richtlinie 98/5/EG sei in Vorbereitung. Er sei Grenzpendler zwischen Sa. und Luxemburg. Bis zum 31.01.2003 sei er Arbeitnehmer gewesen und sei seit dem 01.02.2003 arbeitslos. Er habe Arbeitslosengeld bzw. zeitweise Unterhaltsgeld bezogen. Durch die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit habe er seine Arbeitslosigkeit zum 29.02.2004 beendet. Er werde voraussichtlich durch seine Tätigkeit kein Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) erzielen, das 25.000,00 € im Jahr überschreiten werde. Momentan sei er bei der BfA bzw. beim Versorgungswerk versicherungspflichtig und erhalte kein Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III. Es bestehe daher ein gebundener Anspruch auf die Existenzgründungsförderung. Das Gesetz erleichtere Arbeitslosen den Weg in die Selbständigkeit, indem die Last der Sozialversicherungsabgaben zeitweilig verringert werde. Er müsse dem Bescheid der Beklagten zufolge seinen sozialen Schutz in der dreijährigen Übergangsphase in vollem Umfang selbst aufrechterhalten. Die Entscheidung der Beklagten verhindere eine Verwaltungsvereinfachung gemäß der Neufassung des § 7 Abs. 4 SGB IV, wonach bei dem Antragsteller, dem die Förderung nach § 421 I SGB III bewilligt werde, unwiderlegbar vermutet werde, dass er in dieser Tätigkeit als Selbständiger tätig werde. Durch die Ablehnung werde verhindert, dass dem Antragsteller die Beweislast für seine Selbständigkeit genommen werde und sie stelle sich somit einer Rechtsklarheit für alle Zweige der Sozialversicherung entgegen. Sie beschwöre die Gefahr divergierender Entscheidungen herauf. Selbst wenn man unterstellte, dass der Förderung das sog. Territorialitätsprinzip entgegenstünde, würde di...