Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigung für Opfer von Gewalttaten
Leitsatz (amtlich)
Hat das Opfer einen Versorgungsantrag gegenüber dem Land/der Versorgungsverwaltung rechtzeitig gestellt, kann die Krankenversicherung im Prozess gegen das Land auf Gewährung von Versorgung nach § 1 OEG wegen der Folgen der auf das Opfer verübten Gewalttat klagen. Im Verfahren der Krankenversicherung gegen das Land ist das Opfer notwendig zu beteiligen. Die Feststellung der Versorgungspflichtigkeit des beklagten Landes nach dem OEG führt zu einem denkbaren Rückgriff gegen den Täter im Sinne einer cessio legis.
Normenkette
OEG § 1
Verfahrensgang
SG für das Saarland (Urteil vom 20.05.1999) |
Tenor
1. Die Berufung des Beigeladenen zu 1. gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 20. Mai 1999 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Bescheid des Beklagten vom 17. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1998 aufgehoben und dass festgestellt wird, dass die nachfolgend aufgeführten Verletzungen der Beigeladenen zu 2., nämlich
- Ellenbogenluxationsfraktur (Abrissfraktur Proc. coronoideus und Radiusköpfchenfraktur sowie Ruptur ulnarer Kapselbandapparat) li,
- Fraktur der 8. und 9. Rippe li.,
- Prellung re. Flanke,
- idealstehende Fraktur des Os metacarpale V.
Folge des vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs des Beigeladenen zu 1. vom 23. Februar 1997 sind.
2. Der Beigeladene zu 1. hat die der Beigeladenen zu 2. im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten. aus.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Vorfall vom 23. Februar 1997 als vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) anzusehen ist und – gegebenenfalls – ob Gründe bestehen, die Leistung zu versagen.
Der Beigeladene zu 1. ist der frühere Ehemann der Geschädigten und Beigeladenen zu 2. Die Ehe der Beigeladenen ist durch Urteil des Amtsgerichts/ Familiengerichts S. vom 15. Juni 1998 (Az. 41 F 160/97) geschieden worden. Der Beigeladene zu 1. greift im Rechtsstreit der Krankenversicherung der Beigeladenen zu 2. gegen den Beklagten – unter Berufung auf Verfahrensmängel und Versagungsgründe – die in erster Instanz erfolgte Feststellung der Versorgungspflichtigkeit des Beklagten nach dem OEG im Hinblick auf die Folgen aus dem Schadensereignis vom 23. Februar 1997 an. In einem Rechtsstreit bzgl. eines weiteren Tatgeschehens vom 28. Dezember 1996 ist die Klage zurückgenommen worden. Die Parallelsache S 18 VG 172/99 (Klage der Beigeladenen zu 2. gegen den Beklagten wegen der Folgen aus dem streitgegenständlichen Angriff vom 23. Februar 1997) ist im Hinblick auf die hiesige Berufungssache mit Beschluss vom 17. September 1999 gemäß § 114 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgesetzt worden.
Das streitgegenständliche Schadensereignis vom 23. Februar 1997 steht im zeitlichen Zusammenhang mit insgesamt 5 früheren zur Anzeige gebrachten Vorfällen (25. Dezember 1996 – Strafanzeige wegen Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch; 28. Dezember 1996 – Verdacht der Körperverletzung und versuchten Nötigung; 26. Januar 1997/ 27. Januar 1997 – Sachbeschädigung am Auto der Beigeladenen zu 2. und ihres Freundes; 02. Februar 1997 – Verdacht der Bedrohung) und zwei späteren Schadensereignissen (25. Juli 1998 – Hausfriedensbruch, Nötigung, Bedrohung, Verstöße gegen das Waffengesetz; 17. Oktober 1998 – Verdacht der Bedrohung). Wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz ist gegen den Beigeladenen zu 1. durch Strafbefehl des Amtsgerichts S. (Az. 24 Js 1270/98) eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,00 DM, zusammen 1.200,00 DM verhängt worden. Die Tathandlungen vom 23. Dezember 1997 (in der Anklageschrift vom 09. Februar 1999 ist das Datum fehlerhaft bezeichnet, gemeint war offensichtlich der 23. Februar 1997), 28. Dezember 1997, 02. Februar 1997, 25. Juli 1998 und 17. Oktober 1998 – darunter der streitgegenständliche Angriff – sind unter dem 09. Februar 1999 im Verfahren 2 Js 278/97 zur Anklage gelangt. Mit Beschluss des Amtsgerichts S. vom 14. Dezember 1999 (Az. 35- 242/99) ist das Verfahren gegen den Beigeladenen zu 1. endgültig eingestellt worden (§§ 153,153a der Strafprozessordnung ≪stopp≫), nachdem er eine Geldbuße in Höhe von insgesamt 1.000,00 DM gezahlt hat.
Der Vorfall vom 23. Februar 1997 ist von der Zeugin L., einer Nachbarin der Beigeladenen zu 2., am selben Tage zur Anzeige gebracht worden. Im Bericht der Polizeiinspektion K. vom 23. Februar 1997 heißt es, die Beigeladene zu 2. habe erklärt, sie sei im Begriff gewesen, im Hausflur des Anwesens „W. G.” die Flurtreppe hinunterzugehen, als der hinter ihr gehende Beigeladene zu 1. ihr mit dem Fuß in den Rücken getreten habe, so dass sie die steile Holztreppe hinuntergefallen sei. Der Beigeladene zu 1. hat ausweislich des Polizeiberichts ausgesagt, die Beigeladene zu 2. sei mit ei...