Verfahrensgang
SG für das Saarland (Urteil vom 24.10.1984; Aktenzeichen S 16 J 117/83) |
Nachgehend
Tenor
Unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts für das Saarland vom 24.10.1984 und des Bescheides der Beklagten vom 14.12.1982 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.06.1983 wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab Antragstellung Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger die Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit zusteht.
Der am … 1938 geborene Kläger hat den Beruf des Terrazzolegers und Stukkateurs erlernt und 1962 die Meisterprüfung abgelegt. Er war von 1955 bis 1962 im elterlichen Geschäft als Geselle und danach bis Ende 1970 als Meister versicherungspflichtig tätig. Ab 01.01.1971 übernahm er das Geschäft, in dem durchschnittlich zwei bis drei Gesellen und eine Büroangestellte tätig sind. Als selbständiger Handwerksmeister unterlag er nicht der Versicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 Handwerkerversicherungsgesetz (HwVG) und hat auch keine freiwilligen Beiträge geleistet.
Der Kläger stellte am 25.05.1982 Antrag auf die Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit unter Vorlage eines orthopädischen Gutachtens von Privatdozent Dr. S., das am 14.06.1902 im Auftrage einer privaten Versicherung erstattet worden ist. Nach diesem Gutachten war der Kläger in seinem Beruf insbesondere wegen einer fortgeschrittenen Hüftgelenksarthrose beiderseits und erheblichen Wirbelsäulenveränderungen nicht mehr einsatzfähig. Die Beklagte holte ein vertrauensärztliches Gutachten von Dr. S. ein (erstattet 13.09.1982), wonach der Kläger nur noch für fähig angesehen wurde, leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen und in temperierten Räumen zu verrichten. Entsprechend diesem Gutachten lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 14.12.1982 ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 09.06.1983).
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 24.10.1984 nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. M. von der …-Klinik in S. (erstattet 10.05.1984) ab. Es führte aus, nach dem Ergebnis der medizinischen Beweiserhebung sei der Kläger zwar nicht mehr in der Lage, die körperlichen Arbeiten in seinem Beruf zu verrichten. Er könne jedoch noch vollschichtig leitende und überwachende Aufgaben in Baumärkten, auf Bauhöfen und im eigenen wie in fremden Geschäften erfüllen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 05.12.1984 zugestellte Urteil mit einem bei Gericht am 02.01.1985 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Er ist der Ansicht, er dürfe nicht auf die Tätigkeit im eigenen Geschäft verwiesen werden, da es sich hierbei um einen kleinen, allenfalls mittleren Handwerksbetrieb im Sinne der Rechtsprechung handele, in dem seine eigene körperliche Mitarbeit von der Sache geboten sei. Andere Tätigkeiten, auf die er sozial zumutbar verwiesen werden könne, gäbe es nicht. Dies gelte insbesondere für aufsichtsführende Meistertätigkeiten in einem fremden Geschäft, weil es entsprechend große Geschäfte des Terrazzo- und Stukkateurhandwerks, in denen auf die körperliche Mitarbeit des Meisters verzichtet werden könne, überhaupt nicht gäbe, ihm auch für die Leitung derartiger Geschäfte die erforderlichen kaufmännischen Fähigkeiten fehlten und er überdies gesundheitlich gar nicht in der Lage wäre, die Arbeiten auf Baustellen ständig zu kontrollieren. Außerdem sei es nicht zumutbar, das eigene Geschäft aufzugeben, um versuchsweise die Leitung eines fremden Geschäfts zu übernehmen.
Der Kläger stellt den Antrag,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts für das Saarland vom 24.10.1984 und des Bescheides vom 14.12.1982 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.06.1983 die Beklagte zu verurteilen, Rente wegen Berufsunfähigkeit ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, daß der Kläger zumindest aufsichtsführend ein fremdes Geschäft des Terrazzohandwerks führen könne. Hierfür erbringe er aufgrund seines bisherigen Berufs die erforderlichen Berufskenntnisse. Außerdem sei ihm diese Tätigkeit auch gesundheitlich zumutbar.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Akten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, und die Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung ist in der Sache begründet. Dem Kläger steht die Rente wegen Berufsunfähigkeit ab Antragstellung zu, da er die Wartezeit für diese Rente erfüllt hat und berufsunfähig im Sinne von § 1246 Abs. 2 RVO ist.
Nach § 1246 Abs. 2 Satz 1 RVO ist berufsunfähig ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten herabgesunken ist. Nach Satz 2 die...