Verfahrensgang
SG für das Saarland (Urteil vom 24.11.1982; Aktenzeichen S 1 K 10/81) |
Tenor
Unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts für das Saarland vom 24. November 1982 wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger die Kosten für das Kunstmilchpräparat „Pregestimil” zu erstatten.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Im übrigen findet keine Kostenerstattung statt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erstattung von Aufwendungen für das Diät- bzw. Arzneimittel Pregestimil, die er als Träger der Sozialhilfe für das Kind des Beigeladenen zu 1), das an einer Kuhmilchunverträglichkeit litt, erbracht hat.
Der Beigeladene zu 1) ist bei der Beklagten versichert. Er hatte Anspruch auf Familienkrankenhilfe für sein am … 1980 geborenes und am … 1982 verstorbenes Kind, das wegen einer intestinalen Milcheiweißallergie auf das Kunstmilchpräparat Pregestimil als Säuglingsnahrungsmittel angewiesen war. Die Beklagte hat die Übernahme der Kosten mit dem Hinweis abgelehnt, es handele sich nicht um ein Arzneimittel im Sinne von § 182 Abs. 1 Nr. 1 b Reichsversicherungsordnung (RVO). Als Diätmittel sei es auch nach Nr. 21 Buchst. i Arzneimittel-Richtlinien (AM-Richtl) nicht verordnungsfähig. Der Kläger hat daraufhin die Kosten für das Präparat gemäß § 37 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) übernommen und am 22. Juni 1981 Klage auf Erstattung der Aufwendungen erhoben.
Im sozialgerichtlichen Verfahren hat Prof. Dr. K. Chefarzt des Zentrums für Kinderheilkunde der … am 28. Juli 1982 ein Gutachten erstattet und ausgeführt, die Kuhmilchunverträglichkeit sei ein Oberbegriff für eine Vielzahl gastro-intestinaler Erkrankungen, bei der es stets zu einer begleitenden Störung und Verminderung der Darmenzymaktivitäten komme. Säuglinge mit einer entsprechenden Eiweißallergie könnten, außer mit Muttermilch, nur mit einer Kunstmilch, die frei von Kuhmilchproteinen sei, aufgezogen werden. Pregestimil sei ein derartiges Kunstmilchpräparat, dessen Proteine aus pflanzlichen und tierischen milchfremden Eiweißen gewonnen werde. Die Verabreichung von Milchpräparaten führe zu lebensgefährlichen Zuständen, die eine sofortige stationäre Behandlung erforderlich machten. Die Erkrankung sei der Phenylketonurie (PKU) gleichzusetzen, die ohne eine entsprechende Diätbehandlung ebenfalls zu schwersten Schädigungen führe.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. November 1982 abgewiesen und ausgeführt, bei dem Präparat Pregestimil handele es sich nicht um ein Arzneimittel, sondern um eine Krankenkost, für deren Kosten die Krankenkassen nach § 182 Abs. 1 Nr. 1 b RVO nicht aufzukommen hätten. Die Kuhmilchunverträglichkeit schließe nur den Genuß von Lebensmitteln aus, die kuhmilchhaltig seien. Alle anderen Nahrungsmittel seien verträglich. Auch lägen die Voraussetzungen, unter denen nach Nr. 21 Buchst. i AM-Richtl die Kosten für ein Krankenkost- und Diätpräparat ausnahmsweise übernommen werden könnten, nicht vor. Danach seien nur Aminosäuremischungen und Eiweißhydrolysate bei „angeborenen” Enzymmangelkrankheiten sowie Elementardiäten (Gemische von Nahrungsgrundbausteinen, Vitaminen und Spurenelementen) bei Morbus Crohn und Kurzdarmsyndrom verordnungsfähig. Bei der Erkrankung des Kindes des Beigeladenen handele es sich jedoch nicht um eine „angeborene” Enzymmangelkrankheit.
Der Kläger hat gegen das ihm am 9. Dezember 1982 zugestellte Urteil mit einem bei Gericht am 27. Dezember 1982 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt.
Er ist der Ansicht, das Vordergericht habe das Gutachten des Sachverständigen verkannt und sei auf die wesentlichen Argumente zur Einordnung des Präparats als Arzneimittel im Sinne von § 182 Abs. 1 Nr. 1 b RVO nicht eingegangen. Säuglinge seien naturgemäß auf Milch angewiesen. Ein Ausweichen auf andere Nahrungsgrundstoffe sei praktisch nicht möglich.
Wegen der hohen Kosten für das Kunstmilchpräparat bestehe die Gefahr, daß Eltern bei Ausbleiben von Krankheitssymptomen auf Säuglingsnahrungsmittel mit der Folge zurückgriffen, daß das Kind möglicherweise auf Dauer geschädigt werde, jedenfalls stationärer Behandlung bedürfe, womit hohe Kosten für die Krankenversicherungsträger verbunden seien. Es müsse daher als widersinnig angesehen werden, wenn die Krankenkassen die erforderlichen Kunstmilchpräparate nicht als Sachleistung den Versicherten zur Verfügung stelle. Im übrigen sei es sachlich nicht gerechtfertigt, für die PKU-Erkrankung Krankenkost zu leisten, nicht dagegen für die gleichgelagerte Erkrankung der Kuhmilchunverträglichkeit, zumal es sich hierbei im Unterschied zur PKU nur um einen zeitlich begrenzten und vorübergehenden Krankheitszustand handele.
Der Kläger stellt den Antrag,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts für das Saarland vom 24. November 1982 die Beklagte zu verurteilen, die Aufwendungen für das Präparat „Pregestimil” zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Unter Hinweis auf die Rechtsprechung ist sie der Ansicht, die Versorgung mit einer ...