Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Mindestmengen. Bescheid über die Widerlegung der Prognose nach § 136b Abs 4 S 6 SGB 5. sozialgerichtliches Verfahren. Anfechtungsklage als richtige Klageart. kein schützenswertes Interesse für die Feststellung der Richtigkeit der Prognose. aufschiebende Wirkung. Antrag auf Eilrechtsschutz. Unzulässigkeit bei Nichtbestreiten der aufschiebenden Wirkung bzw Nichtanordnung der sofortigen Vollziehung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Falle des Erlasses eines Bescheids über die Widerlegung der Prognose nach § 136b Abs 4 S 6 SGB V ist richtige Klageart allein die Anfechtungsklage. Für die Feststellung der Richtigkeit der Prognose besteht kein schützenswertes Interesse.

2. Da die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung hat, sind Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes solange unzulässig, wie die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen nicht das Bestehen aufschiebender Wirkung bestreiten oder die sofortige Vollziehung ihrer Entscheidung anordnen.

 

Tenor

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 52.006,63 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die am 1. Juli 2020 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 4. Juni 2020 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 22. April 2020 ist zwar statthaft und auch sonst zulässig (§§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Allerdings hat das SG zu Unrecht angenommen, dass die Antragstellerin ein berechtigtes Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Richtigkeit der positiven Prognose hinsichtlich des Erreichens der Mindestmenge für die Leistung Kniegelenk-Totalendoprothese und damit der Berechtigung zur Erbringung dieser Leistungen habe, dies über eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 SGG erreichen könnte und daher der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den die von der Antragstellerin für das Jahr 2020 aufgestellte Prognose zur Erfüllung der Mindestmenge wegen erheblicher Zweifel nach § 136b Abs. 4 S. 6 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buches (SGB V) zurückweisenden Bescheid der Antragsgegner*innen vom 27. August 2019 (S 50 KR 2882/19) anzuordnen, vor allem als ein solcher auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auszulegen sei. Dabei hat es die bestehende Meinungsvielfalt in Rechtsprechung und Literatur zu Rechtsschutzproblemen hinsichtlich der Mindestmengenprognose nach § 136b Abs. 4 SGB V (s. hierzu auch Bockholdt, NZS 2019, 814) dargestellt, ist aber zu einer von derjenigen des erkennenden Senats abweichenden eigenen Rechtsauffassung gelangt, die der gesetzlichen Konzeption nicht gerecht wird.

Aus § 136b Abs. 4 S. 6 bis 8 SGB V geht hervor, dass (allein) die Entscheidung der Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen, die Richtigkeit der vom Krankenhausträger getroffenen Prognose zu widerlegen, einen Verwaltungsakt (§ 31 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch) darstellt (ebenso: Bockholt, a.a.O.; Knispel, jurisPR-SozR 21/2019 Anm. 2 m.w.N.; a.A. Hauck, jurisPK-SGB V, G-BA ≪Gemeinsamer Bundessauschuss≫, 1. Aufl. 2019, § 5 Mm-R ≪Mindestmengenregelungen≫ Rn. 40 ff.), gegen den unmittelbar vor dem Sozialgericht geklagt werden kann. Hierfür spricht insbesondere die der Feststellung zukommende rechtliche Wirkung nach § 186b Abs. 4 S. 1 und 2 SGB V wonach das Krankenhaus die entsprechenden Leistungen - anders als nach ordnungsgemäßer Abgabe einer nicht widerlegten eigenen positiven Prognose - nicht bewirken darf und für den Fall, dass es die Leistung dennoch bewirkt, keinen Vergütungsanspruch hat. Nur bei Qualifizierung der Entscheidung als Verwaltungsakt macht die Regelung in § 136b Abs. 4 S. 8 SGB V Sinn, wonach ein Vorverfahren nicht stattfindet. Auch die über die in § 5 Abs. 5 Mm-R geregelte Mitteilungspflicht der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen hinausgehende Regelung zur Entscheidung über die Widerlegung der Prognose in § 5 Abs. 6 Mm-R belegt, dass sowohl der Gesetzgeber als auch der Regelungsgeber zutreffend davon ausgehen, dass es sich bei dieser Entscheidung um einen Verwaltungsakt handelt.

Entgegen der Auffassung von Hauck (a.a.O.) schließt der Umstand, dass die Entscheidung nach § 136b Abs. 4 S. 6 SGB V „gemeinsam und einheitlich“ getroffen wird (s.a. § 5 Abs. 6 und 7 Mm-R), nicht deshalb die Annahme eines Verwaltungsakts aus, weil es sich um eine - abgesehen von engen Ausnahmefällen - nach dem Grundgesetz (GG) unzulässige Mischverwaltung aus Bund und Ländern handle. Denn die Regelung lässt sich ohne weiteres dahingehend verfassungskonform auslegen, dass die Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen über die Widerlegung der Prognose des Krankenhausträgers zwar gemeinsam und einheitlich im Sinne des § 211a SGB V entscheiden, aber in ge...

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