Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Arzneimittelversorgung. Reichweite des Neutralitätsgebots einer Krankenkasse gemäß § 31 Abs 1 S 6 SGB 5. Arzneimittelversorgungsvertrag gemäß § 129 Abs 5 SGB 5. zur Zulässigkeit der Beifügung eines Werbeflyers einer Versandapotheke im Mitgliedermagazin einer Krankenkasse
Orientierungssatz
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden und stellt insbesondere weder einen Verstoß gegen § 31 Abs 1 S 6 SGB 5 noch gegen den von den Beteiligten gemäß § 129 Abs 5 SGB 5 geschlossenen Arzneimittelversorgungsvertrag dar, wenn eine Krankenkasse es gestattet, dass eine Versandapotheke ihrem Mitgliedermagazin einen Werbeflyer beifügt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 50.000,- € festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse befugt ist, einer V.-Apotheke zu gestatten, ihrem Mitgliedermagazin einen Werbeflyer beizufügen.
Der Kläger zu 1. ist der H. e.V., der Kläger zu 2. ist Vorstand des Klägers zu 1. und Inhaber einer A1. Die Beteiligten sind Vertragspartner des „Arzneiversorgungsvertrages“ (nachfolgend: AVV) vom 01.04.2016, der gemäß § 129 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) als Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung für die Mitglieder des Klägers zu 1. sowie für die den Verbänden angeschlossenen Krankenkassen, u.a. die Beklagte, geschlossen worden ist. In § 7 Abs. 1 AVV heißt es unter der Überschrift „Allgemeine Zusammenarbeit“:
„Die Versicherten oder Vertragsärzte dürfen weder von den Apotheken zu Lasten der Ersatzkassen noch von den Ersatzkassen zugunsten bestimmter Apotheken/ Lieferanten beeinflusst werden."
Die Beteiligten streiten in diesem Verfahren über die Reichweite dieser Vorschrift und der Norm des § 31 Abs. 1 S. 6 SGB V. Die Beklagte hat der von ihr an ihre Versicherten herausgegebenen Mitgliederzeitschrift „f. - Das Gesundheitsmagazin“, Ausgabe 1/2017, einen Werbeflyer der V.-Apotheke D. beigefügt, in dem die V.-Apotheke D. für die Einsendung von Rezepten, das von ihr angebotene Bonus-System und mit einer „Kennenlern-Aktion“ für Neukunden wirbt. Im Impressum auf Seite 22 der Mitgliederzeitschrift heißt es von der Beklagten:
„Zur Refinanzierung unseres Magazins finden Sie in dieser Ausgabe gewerbliche Anzeigen sowie Beilagen von D., J. GmbH, W., S1 und W1 (Teilauflage). Alle Anzeigen sind als solche gekennzeichnet und stellen keine Empfehlung der D1 dar.“
Nachdem die Beklagte auf eine schriftliche Abmahnung des Klägers zu 1 vom 7. Februar 2017 ablehnend reagiert und mit Schreiben vom 15. Februar 2017 darauf hingewiesen hatte, dass der Werbeflyer der Mitgliederzeitschrift lediglich beigelegen habe, beantragten die Kläger am 23. Februar 2017, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es zu unterlassen, ihre Versicherten zum Bezug von Arzneimitteln im Wege des Versandhandels durch die D. Apotheke aufzufordern und/oder auffordern zu lassen und/oder ihre Versicherten dahingehend zu beeinflussen und/oder beeinflussen zu lassen, soweit dies außerhalb von gesetzlich normierten selektivvertraglichen Versorgungsmodellen geschehe, bei denen die Teilnahme am Versorgungsmodell zuvor unter den Apotheken öffentlich ausgeschrieben wurde.
Das Sozialgericht Hamburg lehnte diesen Antrag mit Beschluss vom 22. Mai 2017 ab (Az.: S 8 KR 343/17 ER), bestätigt durch den Beschluss des erkennenden Senats vom 5. Juli 2017 (Az. L 1 KR 41/17 B ER). In seiner Begründung hat der Senat u. a. ausgeführt, dass er ebenso wenig wie das Sozialgericht erkennen könne, dass das von den Klägern gerügte Verhalten der Beklagten eine Beeinflussung der Versicherten zulasten der Kläger darstelle. Das vertraglich vereinbarte Verbot der Beeinflussung der Versicherten setze ein Tun der Beklagten voraus, welches auf die Steuerung des Verhaltens eines Dritten ziele. Von einer derartigen Aktivität sei hier jedoch nicht auszugehen. Der mündige Leser sei es gewohnt, dass nahezu allen Druckerzeugnissen Werbebeilagen beigefügt würden, und wisse dies auch richtig zu verstehen, nämlich als ein Element zur Finanzierung des Druckerzeugnisses und nicht als Wiedergabe einer Haltung oder Einstellung der Redaktion zu dem beworbenen Produkt.
Mit ihrer Klage vom 23. Februar 2017 haben die Kläger ihren Unterlassungsanspruch weiterverfolgt. Aus ihrer Sicht, so haben sie argumentiert, bestehe angesichts des Neutralitätsgebotes des § 7 Abs. 1 AVV ein bedeutsamer Unterschied zwischen der Werbung für leistungsrechtlich neutrale Anbieter von Gesundheitsprodukten oder Dienstleistungen (Massagesessel, Matratzenauflagen, Hörverstärker usw.) und der hier streitgegenständlichen Ermöglichung einer einseitigen Werbung eines in die Leistungsbeziehungen der Beklagten eingebundenen Dritten, der im Falle der Einsendung von Rezepte...