rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsunfähigkeit. Erwerbsminderung. Beweislast
Leitsatz (redaktionell)
1. Kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die rentenbegründende Einschränkung des Leistungsvermögens festgestellt werden, trägt der Kläger die Folgen dieser fehlenden Beweisbarkeit.
2. Die Annahme einer schweren Erkrankung durch eine Vielzahl von Ärzten reicht zur Begründung des Rentenanspruchs nicht aus. Das Gericht muss sich (mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen) eine eigene Überzeugung bilden.
Normenkette
SGB VI § 44 Abs. 2 Fassung: 2000-12-31, § 43 Fassung: 2001-01-01, § 300 Abs. 1; SGG § 153 Abs. 4, 2
Verfahrensgang
SG Hamburg (Entscheidung vom 05.11.2003; Aktenzeichen S 15 RJ 392/01) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. November 2003 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Hinsichtlich des Sachverhalts bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 5. November 2003 verwiesen. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine solche Rente könne nicht festgestellt werden, weil nach Einschätzung des Neurologen/Psychiaters Dr. F. das von der Klägerin gezeigte Verhalten nicht konsistent, eine Zuordnung zu einer bestimmten psychischen Erkrankung nicht möglich und deswegen die Feststellung gesundheitlicher Einschränkungen ausgeschlossen sei. Insbesondere sei das Verhalten vermutlich willentlich gesteuert und der willensgesteuerte Anteil könne aufgrund der Verhaltensweisen der Klägerin nicht abgeschätzt werden. Die Beurteilung des medizinischen Sachverständigen werde bestätigt durch die Beobachtungen des im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Internisten Dr. J. zur Verhaltensänderung bei der Klägerin nach Abschluss der Untersuchung sowie dadurch, dass die Klägerin in der Lage gewesen sei, sich seit der Antragstellung dreizehn mal zahnärztlich und zwölf mal gynäkologisch behandeln zu lassen, aber nur eine Behandlung bei dem Gynäkologen - und zwar die zeitlich nach der gerichtlichen Anfrage hinsichtlich des behandelnden Arztes liegende - von psychischen Auffälligkeiten begleitet gewesen sei.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie sei erwerbsunfähig. Das zeige sich bereits an der Zuerkennung der Pflegestufe I durch die Pflegeversicherung und der Beantragung der Pflegestufe II. Auch sei der im Verwaltungsverfahren tätig gewesene Psychiater von einem aufgehobenen Leistungsvermögen ausgegangen. Die vom Internisten Dr. J. geschilderten Beobachtungen nach seiner Untersuchung seien zu bezweifeln. Er habe gar nicht sehen können, ob ihre Unterhaltung mit ihren Verwandten zwanglos gewesen sei. Außerdem widerspreche es dem Krankheitsbild eines Autisten nicht, dass er sich unterhalten könne. Aus dem Umstand, dass eine andere Person mit dem gleichen Familiennamen wie sie die Beklagte hinsichtlich ihrer Erkrankung getäuscht habe, dürfe nicht auf ein betrügerisches Verhalten im hier streitigen Fall geschlossen werden. Sie habe sich nicht zu einem Nervenarzt in Behandlung begeben, der ihr Tipps gegeben habe, wie man eine autistische Erkrankung vortäusche. Den Angaben des behandelnden Neurologen/Psychiaters Dr. P. müsse mehr Bedeutung zugestanden werden. Zur Unterstützung ihres Vortrages hat die Klägerin die Stellungnahme Dr. P.s vom 6. September 2004 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. November 2003 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Mai 2000 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die erstinstanzliche Entscheidung sei zutreffend. Es müsse davon ausgegangen werden, dass das Verhalten der Klägerin willensgesteuert sei. Anders ließen sich der unauffällige Umgang mit ihren Verwandten, wie ihn Dr. J. beobachtet habe, sowie die Behandlungen beim Zahnarzt und beim Gynäkologen - mit Ausnahme der letzten Behandlung - nicht erklären. Im Zeitpunkt der Bescheiderteilung sei bei einer Vielzahl von Versicherten aufgefallen, dass diese in Begutachtungssituationen ein Verhalten vergleichbar mit dem der Klägerin zeigten, welches medizinisch nicht zugeordnet werden könne. Im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sei in einigen Fällen auch der Bezug von Pflegegeldern bekannt geworden.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozessakte, der Krankenakte des Allgemeinen Krankenhauses O., der Akte des Versorgungsamtes nach dem Schwerbehindertengesetz so...