Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. ambulantes Operieren. Leistungen im Bereich der Urethrozystoskopie unterliegen mengensteuernden Abrechnungsvorschriften. Beschluss. Erweiterter Bewertungsausschuss. historisch-teleologische Auslegung

 

Orientierungssatz

1. Vergütungen von Leistungen im Bereich der Urethrozystoskopie (Harnröhren- und Blasenspiegelung) im Rahmen des § 115b SGB 5 unterliegen den mengensteuernden Abrechnungsvorschriften.

2. Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28.8.2008 (hier: Protokollnotiz zu Teil A 1.2 Nr 4) ist einer historisch-teleologischen Auslegung nicht zugänglich.

 

Normenkette

SGB V § 85 Abs. 2 S. 7, § 87 Abs. 1-2, 4, § 115b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2, Abs. 4-5; EBM-Ä 2008 Nr. § 26310; EBM-Ä 2008 Nr. § 26311

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.11.2017; Aktenzeichen B 6 KA 41/16 R)

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt die Neubescheidung seiner Honorarabrechnungen für die Quartale I/2009 bis einschließlich I/2010 sowie III/2010 und IV/2010 unter Zugrundelegung einer von Mengenbegrenzungen ausgenommenen Vergütung von Leistungen im Bereich der Urethrozystoskopie (Harnröhren- und Blasenspiegelung).

Der Kläger ist Facharzt für Urologie und als solcher im Bezirk der Beklagten zur fachärztlichen Versorgung zugelassen. Er rechnete in den streitigen Quartalen jeweils in einer zweistelligen Zahl von Fällen die GOP 26310 EBM - Urethro(-zysto)skopie des Mannes oder bei Personen mit nicht festgelegter Geschlechtszuordnung gemäß Allgemeiner Bestimmung - und einer dreistelligen Zahl von Fällen die GOP 26311 EBM - Urethro(-zysto)skopie der Frau - ab. In sämtlichen Honorarabrechnungen wurde wegen Überschreitung des jeweiligen Regelleistungsvolumens (RLV) der Überschreitungsbetrag nur quotiert vergütet. Der Kläger legte gegen jede dieser Honorarabrechnungen Widerspruch ein, im Einzelnen:

Quartal

Honorarabrechnung

Widerspruch

I/2009

27. August 2009

28. September 2009

II/2009

19. November 2009

21. Dezember 2009

III/2009

18. Februar 2010

19. März 2010

IV/2009

19. Mai 2010

9. Juni 2010

I/2010

19. August 2010

6. September 2010

III/2010

3. März 2011

22. März 2011

IV/2010

24. Mai 2011

23. Juni 2011

Er begründete die Widersprüche damit, die Zystoskopien seien auf der Grundlage des Vertrags nach § 115b Abs. 1 SGB V - Ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus (AOP-Vertrag) außerhalb des RLV und damit ohne Mengenbegrenzung zu vergüten. Dies ergebe sich aus § 115b Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch (SGB V). Zugleich dürfe dies die Beklagte allerdings nicht zum Anlass nehmen, auch die RLV rückwirkend zu bereinigen, denn die diesbezüglichen Bescheide seien bindend geworden.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2012 mit der Begründung zurück, die Honorarabrechnungen und RLV-Zuweisungen hätten geltendem und für die Beklagte verbindlichem Recht entsprochen. Dies ergebe sich aus dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008, wonach die GOP 26310 und 26311 bzw. die in Abschnitt 2 der Anlage 1 zum AOP-Vertrag genannten Leistungen in die RLV fielen und aus der Morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) zu vergüten seien. Hierzu gehörten auch die genannten zystoskopischen Leistungen.

Hiergegen richtet sich die am 2. April 2012 erhobene Klage, mit der der Kläger die Neubescheidung seiner Honorarabrechnungen geltend gemacht hat.

Der Kläger hat ausgeführt, die Klage sei auch angesichts bestandskräftiger Bescheide über die Zuweisung von RLV zulässig, da die fraglichen Leistungen gerade außerhalb des RLV zu vergüten seien.

In der Sache werde ihm ab dem 1. Januar 2009 faktisch die Möglichkeit genommen, auf der Grundlage des jeweils geltenden AOP-Vertrages abzurechnen, obwohl er einen Anspruch darauf habe, an den auf diese Weise eingeräumten Abrechnungsmöglichkeiten zu partizipieren. Der Gesetzgeber habe durch Einführung von § 115 SGB V durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG, vom 21. Dezember 1992, BGBl I, 2266) eine Wettbewerbssituation zwischen Krankenhäusern und Vertragsärzten geschaffen und zur Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen dementsprechend in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V eine einheitliche Vergütung vorgeschrieben. Diese bindende Gesetzesvorgabe habe eine extrabudgetäre und von der Mengensteuerung befreite Vergütung ermöglicht (Hinweis auf BSG, Urteil vom 11. April 2002 - B 3 KR 25/01 R, juris, Rn. 20) und damit ein paralleles Vergütungssystem etabliert. Auch das Bundessozialgericht erachte eine außerbudgetäre Vergütung für geboten (Hinweis auf BSG, Urteil vom 21. März 2012 - B 5 KA 21/11 R). Während aber die Krankenhäuser erbrachte Zystoskopieleistungen einzeln und in voller Höhe vergütet erhielten, unterlägen die Vertragsärzte einer wettbewerbsverzerrenden Mengenbegrenzung und müssten ihre Leistungen (teilweise) defizitär erbringen. Auch aus dem Beschluss des L...

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