Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Verfügt der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH über keine Sperrminorität, ist er in die Arbeitsorganisation des Betriebs eingegliedert, ist er an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden, hat er ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen und hat er Anspruch auf bezahlten Urlaub, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 17.01.2017; Aktenzeichen B 12 R 31/16 B)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. November 2014 geändert. Unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 26. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. November 2011 wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1 in seiner seit dem 1. März 2011 für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit seit dem 29. April 2011 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt sowie in der Zeit vom 29. April 2011 bis zum 31. Dezember 2013 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung unterlag. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten jeweils selbst tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Anfrage- bzw. Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), ob der Beigeladene zu 1 in seiner Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter der Klägerin der Sozialversicherungspflicht unterliegt.

Gegenstand der 1972 gegründeten und seit 1973 in das Handelsregister eingetragenen klagenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist die Durchführung von Planungs- und Beratungsaufträgen mit Ausnahme erlaubnispflichtiger Geschäfte auf allen Gebieten, auf denen volkswirtschaftliche, betriebswirtschaftliche, technische und sozialwissenschaftliche Leistungen zu erbringen sind.

Der Beigeladene zu 1 ist Wirtschaftsingenieur und war von Dezember 2008 bis Januar 2011 als freiberuflicher Berater tätig. Sein Unternehmen brachte er bei der Klägerin als neuen Geschäftsbereich "Umwelt und Klima" ein. Zum 1. Februar 2011 erwarb er von dem Stammkapital der Klägerin (30.000 Euro) einen 15%-igen Anteil (4.500 Euro). Die übrigen Anteile lagen zu je 35 % (10.500 Euro) bei den beiden damaligen jeweils alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern Dr. S. (Geschäftsbereich "Berufliche Bildung und Beschäftigung") und A. (Geschäftsbereich "Finanzplanung und IT- Instrumente") sowie mit weiteren 15 % bei der damals noch nicht geschäftsführenden Gesellschafterin S1.

Seit dem 1. März 2011 ist der Beigeladene zu 1 als Geschäftsführer der Klägerin tätig. Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 1. Februar 2011 wurde er von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit, die Vertretungsbefugnis allerdings nur nach der allgemeinen Vertretungsregelung in § 5 des Gesellschaftsvertrages erteilt, welche nach dem einschlägigen dortigen Absatz 2 die gemeinschaftliche Vertretung mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Prokuristen vorsah. Ausweislich des Geschäftsführervertrages vom 25. Februar 2011 war zunächst u.a. Folgendes geregelt: § 1 Tätigkeit und Aufgabengebiet 1.1 Als Mitglied der Geschäftsführung leitet der Geschäftsführer mit den übrigen Geschäftsführern die P. unter eigener Verantwortung. Er vertritt die P. im Rahmen der durch den Gesellschaftsvertrag eingeräumten Befugnisse. 1.2 1.3 Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis und der Zeichnungsberechtigung des Geschäftsführers ergeben sich aus den Gesellschafterbeschlüssen in Verbindung mit dem Gesellschaftsvertrag. 1.4 Der Geschäftsführer gestaltet insbesondere den Geschäftsbereich "Umwelt und Klima" unabhängig und unterliegt dabei nicht den Weisungen der Gesellschafterversammlung. Er bringt sein bisheriges Einzelunternehmen mit Schwerpunkttätigkeit in den Bereichen Energieeffizienz, Emissionsanalysen und technischer Gutachten in die P. ein und erhält hierdurch seine Unabhängigkeit in diesem Fachgebiet aufrecht. 1.5 Dem Geschäftsführer wird im Büro der P. ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt, über dessen Nutzung der Geschäftsführer frei entscheiden kann. § 2 Bezüge 1.1 Der Geschäftsführer erh...

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