Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmerrisiko. Festes Gehalt. Übliche Entgelthöhe. Tantieme. Entgeltfortzahlung bei Krankheit. Jahresurlaub. Weisungsgebundenheit. Beteiligung am Stammkapital. Sperrminorität. Geschäftsordnung
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn eine Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis nach Weisungen erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte und die frei Verfügung über die eigene Arbeitskraft gekennzeichnet.
2. Erhält ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der nicht über eine umfassende Sperrminorität verfügt, ein festes Jahresgehalt, das in zwölf gleichen Monatsraten gezahlt wird, eine erfolgsorientierte Tantieme, im Krankheitsfall eine vereinbarte Vergütung für die Dauer von bis zu einem Jahr und ist dessen Abberufung durch die Gesellschafterversammlung jederzeit möglich, so sprechen solche Umstände für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung.
3. Ist der Gesellschafter-Geschäftsführer hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung an keine konkreten Anweisungen der Gesellschafterversammlung gebunden, so erlangt der Betroffene damit allein nicht die Stellung eines selbständig Tätigen.
4. Das Gleiche gilt angesichts einer eingeräumten Alleinvertretungsberechtigung als Geschäftsführer und hinsichtlich der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB.
Normenkette
SGB IV § 7 Abs. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB XI § 20 Abs. 1 Nr. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB III § 25 Abs. 1; GmbHG § 47 Abs. 4
Tenor
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt in der Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Firma S. GmbH die Feststellung, dass der Beigeladene aufgrund seiner Tätigkeit als deren (Gesellschafter-) Geschäftsführer in den Jahren 2005 bis 2009 nicht sozialversicherungspflichtig gewesen ist. Der Kläger ist der Insolvenzverwalter der Firma S. GmbH Zerspanungstechnik im folgenden Firma S die Dreh- und Frästeile aller Art herstellte und handelte. Über diese Firma wurde am 1. März 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger möchte mit seiner Klage erreichen, dass der Arbeitgeberanteil an der Arbeitslosen-und Rentenversicherung, die für den Beigeladenen in der Zeit von Januar 2006 bis November 2008 in Höhe von 22.544,30 EUR gezahlt worden ist, erstattet wird. Der Beigeladene ist ausgebildeter Industriekaufmann und war vom 1. Januar 2005 bis zu deren Insolvenz als Geschäftsführer für die Firma S tätig. Die Firma S war mit einem Stammkapital von 25.000 EUR ausgestattet, wovon der Beigeladene als Gesellschafter bis zum Juli 2007 26 %, bis zum Dezember 2008 30 % und ab Januar 2009 41 % der Geschäftsanteile hielt. Anfang des Jahres 2009 wandte sich die Beklagte an den Beigeladenen mit der Bitte um Übermittlung der Daten durch Ausfüllung des Feststellungsbogens zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH im Rahmen eines Anfrageverfahrens gemäß § 7a Abs. 1 S. 2 SGB IV. Der Beigeladene gab unter Beifügung von Kopien des Gesellschaftsvertrages und dessen Nachträgen sowie des Arbeitsvertrages am 24. Februar 2009 an, seit dem 15. Dezember 2004 Gesellschafter der an diesem Tag notariell gegründeten Firma S und seit dem 1. Januar 2005 ihr Geschäftsführer zu sein. Die Firma verfüge über ein Stammkapital von 25.000 EUR, wovon er 41 % und die anderen drei Gesellschafter zweimal je 24 und einmal 11 Prozentpunkte hielten. Die Sperrminorität in der Gesellschaft betrage 77 %. Er habe keine Sonderrechte, durch die er Gesellschaftsbeschlüsse herbeiführen oder verhindern könne; er habe der GmbH oder den Gesellschaftern der GmbH auch keine Darlehen gewährt oder für sie Bürgschaften übernommen. Die GmbH werde im Verkauf von ihm selbst vertreten und von dem Gesellschafter R. im Bereich Einkauf und Finanzbuchhaltung. Er sei vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB befreit und verfüge als der einzige Geschäftsführer/Gesellschafter über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse. Von 1995 bis 2004 habe er als kaufmännischer Angestellter gearbeitet; die regelmäßige Arbeitszeit habe in der Firma S wöchentlich 35 Stunden betragen. Die Mitarbeit in der GmbH sei für ihn in einem gesonderten Arbeitsvertrag geregelt. Er unterliege wie ein fremder Arbeitnehmer dem Direktions- bzw. Weisungsrecht der Gesellschaft bezüglich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung. Dieses werde von der Gesellschaft in der Praxis auch tatsächlich laufend ausgeübt und zwar von der Gesellschafterversammlung. Er könne - abgesehen von dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung - seine Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten. Die Gestaltung seiner Tätigkeit sei von den betrieblichen Erfordernissen,...