Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbeschränkte Haftung des Gesellschafters einer in Gründung befindlichen GmbH für die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags
Orientierungssatz
1. Für rückständige Gesamtsozialversicherungsbeiträge haftet grundsätzlich die Gesellschaft als Arbeitgeber und nicht der einzelne Gesellschafter. Auch eine sog. Vor-GmbH, die sich im Stadium zwischen Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages und der Eintragung im Handelsregister befindet, besitzt Arbeitgebereigenschaft, sodass die Gesellschafter einer Vor-GmbH für rückständige Beiträge nur im Verhältnis ihrer Anteile der Gesellschaft gegenüber, nicht jedoch gegenüber der Einzugsstelle haften, vgl. BSG, Urteil vom 08. Dezember 1999 - B 12 KJR 10/98 R.
2. Eine unbeschränkte und gesamtschuldnerische Außenhaftung der Gesellschafter besteht dagegen im Fall einer unechten Vorgesellschaft, d. h. wenn eine Eintragungsabsicht nie bestanden hat, später aufgegeben oder nicht ernsthaft verfolgt worden ist, ohne dass die Gesellschafter ihre geschäftliche Tätigkeit sofort eingestellt hätten. Damit ist die Haftung nicht auf das Einlagekapital beschränkt.
3. Ist es weder zu einer Eintragung noch zum Abschluss eines Gesellschaftsvertrags gekommen, sind dennoch unter dem Namen einer in Gründung befindlichen GmbH Geschäfte getätigt worden, hat der in Anspruch genommene Gesellschafter seine Beteiligung an der zu gründenden Gesellschaft weder zurückgezogen, noch hat diese ihre Geschäftstätigkeit eingestellt, so haftet er unbeschränkt für die Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge der Einzugsstelle gegenüber.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Haftungs- und Beitragsbescheiden aus dem Jahr 1995.
Der 1938 geborene Kläger betrieb seit Anfang der Neunzigerjahre mehrere Gastronomiebetriebe in Z ... Darunter befanden sich auf einem ihm gehörenden Grundstück in der A. Straße eine Bar, eine Pension sowie eine Spielhalle. Weitere Gaststätten betrieb er in der G. Straße sowie in der C. Straße. Sämtliche Betriebe liefen nach Angaben des Klägers zunächst unter der Sammelbezeichnung "A. GmbH in Gründung (i.G.)", die keine weiteren Gesellschafter hatte und nie eingetragen wurde. Zum 27. August 1992 meldete der Kläger die A. GmbH i.G. hinsichtlich der Betriebsstätte G. Straße bei dem Gewerbeamt der Stadt Z. ab und gab als neuen Inhaber ein Chinarestaurant an. Gleichzeitig teilte er mit, dass der Betrieb in der A. Straße neu eingerichtet werden sollte.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 22. Oktober 1992 veräußerte er den hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück A. Straße für DM 230.000,- an Herrn G.S ... In Ziffer IV. des Kaufvertrages war festgehalten, dass die Besitzübergabe zum 1. November 1992 erfolgen sollte und den Beteiligten bekannt sei, dass der Erwerber in bestehende Miet- und Pachtverhältnisse kraft Gesetzes eintrete. Beabsichtigt war, dass nach Erwerb des Miteigentums durch G.S. auf dem Grundstück eine weitere Bar beziehungsweise ein Privatclub eingerichtet werden sollte. Unter anderem zu diesem Zweck sollte die S. GmbH gegründet werden, deren Gesellschafter der Kläger, G.S. sowie zwei weitere Herren (T.K. und J.F. beziehungsweise statt letzterem B.L.) sein sollten. Aus einem handschriftlichen Protokoll der S. GmbH vom 22. März 1993 ergibt sich, dass an diesem Tag der Kläger sowie die Herren S., K. und F. zusammenkamen, um ihre jeweiligen Verantwortlichkeiten und Tätigkeitsbereiche im Rahmen der GmbH zu beschließen. Dem Kläger wurde durch ausdrücklich als Gesellschafterbeschluss bezeichnete Übereinkunft der gesamte Sicherheits- und Kontrollbereich übertragen. Ein notarieller Gesellschaftsvertrag oder Vorvertrag wurde jedoch zu keinem Zeitpunkt geschlossen, zu einer Eintragung kam es ebenfalls nicht. In der Folgezeit kam es zu einem Zerwürfnis zwischen dem Kläger und G.S ... Mangels vollständiger Kaufpreiszahlung trat der Kläger am 16. Oktober 1998 von dem Kaufvertrag zurück. Die Wirksamkeit dieses Rücktritts wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 18. Februar 1999 (9 U 3127/98) bestätigt.
Mit Haftungs- und Beitragsbescheid vom 31. März 1995 nahm die Beklagte den Kläger wegen rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge der A. GmbH i.G. für die Monate Mai 1992 bis August 1994 nebst Säumniszuschlägen sowie Auslagen und Gebühren in Höhe von insgesamt DM 41.835,06 in Anspruch. Sie führte aus, die Hauptforderung basiere auf den von der A. GmbH i.G. selbst errechneten und gemeldeten Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die von ihr beschäftigten Arbeitnehmer. Der Kläger hafte für die Beiträge als Gesellschafter einer nicht eingetragenen GmbH, wobei seine Haftung nicht auf das Einlagekapital beschränkt sei. Mit weiterem Haftungs- und Beitragsbescheid vom 31. Juli 1995 forderte die Beklagte von dem Kläger di...