Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Einkommensermittlung. selbstständige Tätigkeit. Nachweis des Einkommens in den Bezugsmonaten. Gewinnermittlung. betriebswirtschaftliche Auswertung. monatliche Bilanz
Orientierungssatz
Bei der Ermittlung des Einkommens eines Selbständigen ist für die Bezugsmonate grundsätzlich auch eine Ermittlung auf der Grundlage einer Bilanzierung nach § 4 Abs 1 EStG möglich. Eine solche Bilanzierung muss dann jedoch abweichend von dem steuerrechtlichen Jährlichkeitsprinzip für den jeweiligen Bezugsmonat erstellt werden.
Normenkette
BEEG § 8 Abs. 3, § 2 Abs. 1, 3, § 2d Abs. 2-3; EStG § 4 Abs. 1, 3
Tenor
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 11. März 2015 und der Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2014 werden aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die endgültige Festsetzung und Rückforderung von dem Kläger gezahlten Elterngeldes.
Mit Schreiben vom 22. Mai 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten für seine Ehefrau und sich Elterngeld für die am …2013 geborene Tochter A. Für seine Ehefrau beantragte er den Mindestbetrag von 300 Euro, für sich Elterngeld aus Erwerbseinkommen vor der Geburt und zwar für die Mutter vom 1. bis einschließlich 10. Lebensmonat (LM) der Tochter, für sich vom 1. bis einschließlich 2. und vom 5. bis einschließlich 6. LM.
Während der Elternzeit erzielte der Kläger Erwerbseinkommen aus selbständiger Tätigkeit als Steuerberater. Ab Mai 2013 war er laut Antrag mit 30 Stunden wöchentlich berufstätig.
Für den Zeitraum vom 1. Mai 2013 bis 31. Oktober 2013 gab der Kläger Einnahmen von voraussichtlich monatlich 10.000 Euro an. Für das Jahr 2012 fügte er eine Jahresübersicht seiner Einnahmen und Ausgaben bei, die für das Jahr 2012 ein vorläufiges Einkommen von 51.907,52 Euro auswies.
Auf weitere Nachfrage der Beklagten erklärte der Kläger, dass er im Bezugsmonat Mai 2013 derart viele Ausgaben bzgl. seiner Tätigkeit gehabt habe, dass er einen Verlust von 2.841,14 Euro erlitten habe. Daher setzte die Beklagte im Antrag einen Wert von 0,00 Euro fest.
Mit Bescheid vom 13. Juni 2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung gem. § 8 Abs. 3 Bundeselterngeldgesetz (BEEG) Elterngeld für die Lebensmonate der Tochter 1, 2, 5 und 6 in Höhe von jeweils 1.980,00 Euro. Dabei ging sie für den Vorjahreszeitraum von einem Gewinn aus selbständiger Arbeit von 51.908,00 Euro aus und entsprechend der auf ihre Nachfrage erhaltenen Auskunft des Klägers für den Bezugszeitraum von 0,00 Euro.
Mit Schreiben vom 11. November 2013 übermittelte der Kläger der Beklagten eine betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) des Jahres 2013 als Nachweis für die nicht erzielten Gewinne während des Bezugszeitraumes. Diese wies für den April 2013 ein Endergebnis von 12.116,79 Euro, für den Mai 2013 ein Ergebnis von -2.849,56, für Juni 2013 von -2.117,73 Euro, für August 2013 von 17.156,06 Euro, für September von -387,86 Euro und Oktober 2013 von -326,33 Euro aus.
Mit Schreiben vom 14. November 2013 bat die Beklagte um Übersendung eines Steuerbescheides für 2012 und einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Einkommenssteuergesetz (EStG) für den Bezugszeitraum, die genau die Zeiträume 26. April 2013 bis 25. Juni 2013 und 26. August bis 25. Oktober 2013 erfasse. Sie wies auch darauf hin, dass sich aus der BWA ein Gewinn für den Juni ergebe.
Daraufhin teilte der Kläger mit, dass ihm ein Steuerbescheid für das Jahr 2012 noch nicht vorliege. Des Weiteren führte er aus, dass gem. § 2d Abs. 3 BEEG eine Gewinnermittlung ausreiche, die mindestens den Anforderungen des § 4 Abs. 3 EStG entspreche. Die bereits vorgelegten Zahlen entsprächen einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG und seien damit periodengerecht zugeordnet. Eine Gewinnermittlung sei nur für jeden Monat möglich. Außerdem ergebe sich für den Monat Juni ein Minus von 2.117,73 Euro und kein Gewinn. Er führte weiter aus, dass bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG das Zuflussprinzip gelte, sodass die Einnahmen von der geleisteten Arbeit unabhängig zu berücksichtigen seien. Dies führe seiner Ansicht nach aber zu einem unrichtigen Ergebnis. Wenn er etwa im April vor dem Bezugszeitraum gearbeitet hätte, würde er die Vergütung dafür erst während des Bezugszeitraums erhalten, in dem er dann aber nicht tätig gewesen sei. Dies wäre bei einem Arbeitnehmer anders, der seinen Lohn immer nach Ablauf des Monats ausbezahlt bekäme.
Mit Schreiben vom 5. Juni 2014 übersandte der Kläger den Einkommenssteuerbescheid 2012, aus dem sich ein zu versteuerndes Einkommen von 44.498,- Euro bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 55.603,- Euro ergibt, sowie eine “Einnahme-Ausgaben-BWA„, aus der sich als Monatswert für April -7.689,77 Euro, Mai 5.917,89 Euro, Juni 4.066,88 Euro, August 7.489,18 Euro, September 748,48 Euro und Oktober 7.312,15 Euro ergeben.
Mit Bescheid vom 10. Juli 2...