Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. endgültige Entscheidung nach vorläufiger Leistungsbewilligung. Pflicht zum Nachweis leistungserheblicher Tatsachen. Rechtsfolgenbelehrung. Unvollständigkeit der Nachweise nach Ablauf der gesetzten Frist. Nullfestsetzung. Vorlage von Kontoauszügen erst im Klageverfahren
Orientierungssatz
1. Im Widerspruchsverfahren vorgelegte Unterlagen zum Nachweis leistungserheblicher Tatsachen sind bei abschließenden Entscheidungen nach § 41a Abs 3 SGB II zu berücksichtigen (vgl BSG vom 12.9.2018 - B 14 AS 4/18 R und B 4 AS 39/17 R = BSGE 126, 294 = SozR 4-4200 § 41a Nr 1). Offen gelassen hat das BSG, ob nach der abschließenden Entscheidung vorgelegte Nachweise noch zu berücksichtigen sind.
2. § 41a Abs 3 S 4 SGB 2 hat nach Auffassung des Senats keine materielle Präklusionswirkung. Erst im Klageverfahren vorgelegte Kontoauszüge und Belege über Betriebseinnahmen und -ausgaben sind daher nicht unbeachtlich und noch zu berücksichtigen.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in der ersten Instanz zur Hälfte und im Berufungsverfahren ganz.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer endgültigen Leistungsfestsetzung nach § 41a Abs. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der am xxxxx 1970 geborene Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum von Mai bis Oktober 2018 als Betreiber eines Imbisses selbständig tätig. Auf den Antrag des Klägers vom 18. Mai 2018 bewilligte der Beklagte dem Kläger und Frau N.M. als Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 13. August 2018 im Hinblick auf die selbständige Tätigkeit des Klägers vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Mai 2018 bis zum 31. Oktober 2018. Als monatlicher Gesamtbedarf wurden 1.798 Euro zugrunde gelegt und als Einkommen lediglich das Arbeitslosengeld von Frau M. in Höhe von 454,80 Euro berücksichtigt. Die bewilligten Leistungen beliefen sich für die Bedarfsgemeinschaft auf monatlich 1.373,20 Euro, die sich hälftig auf den Kläger und Frau M. aufteilten.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2018 forderte der Beklagte vom Kläger zur Berechnung des endgültigen Leistungsanspruchs hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Mai 2018 bis zum 31. Oktober 2018 Kopien aller Kontoauszüge (Privat- und Geschäftskonten, P. und ähnliches) aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, eine vollständig ausgefüllte abschließende EKS, Kopien aller Rechnungen/Nachweise von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben chronologisch und nach Ausgabenart sortiert und Nachweise aller sonstigen Änderungen von allen Personen in der Bedarfsgemeinschaft. Er setzte hierfür eine Frist bis zum 7. Januar 2019. Ferner befand sich in dem Schreiben u. a. folgender Hinweis: „Sollten Sie oder die mit Ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bis zum unten genannten Termin der Nachweis- und Auskunftspflicht nicht nachkommen und die erforderlichen Unterlagen nicht oder nicht vollständig einreichen, werde ich feststellen müssen, dass kein Leistungsanspruch bestand (§ 41a Abs. 3 SGB II). Dies bedeutet, dass die in diesem Zeitraum nur vorläufig bewilligten Leistungen in voller Höhe zu erstatten sind. Ich weise auch darauf hin, dass nach der unten genannten Frist eingereichte Unterlagen nicht mehr berücksichtigt werden können. Bitte reichen sie die Nachweise bis zum 7. Januar 2019 ein.“
In einem persönlichen Gespräch am 6. Juni 2019 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass abschließende Unterlagen fehlten, woraufhin der Kläger mitteilte, dass er die EKS für den Zeitraum Mai 2018 bis Oktober 2018 bereits mehrfach eingereicht habe.
Mit Schreiben vom 28. August 2019 übersandte der Beklagte dem Kläger das Schreiben vom 16. Oktober 2018 nochmals als Erinnerung und verlängerte die Frist letztmalig bis zum 18. September 2019. Am 13. September 2019 ging beim Beklagten eine abschließende EKS für den Zeitraum vom 1. Mai 2018 bis zum 31. Oktober 2018 ein. Hiernach erzielte der Kläger keinen Gewinn.
Mit Bescheid vom 1. Oktober 2019 stellte der Beklagte fest, dass für die Zeit vom 1. Mai 2018 bis zum 31. Oktober 2018 ein Leistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft nicht bestanden habe. Zur Begründung führte er an, dass trotz Aufforderung die angeforderten Unterlagen nicht eingereicht worden seien. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 8. Oktober 2019 Widerspruch ein. Er habe die benötigten Dokumente mehrmals übergeben, zuletzt am 13. September 2019, aber diese würden immer wieder und wieder verlangt.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2020 als unbegründet zurück. Der Kläger habe die angeforderten Unterlagen auch bis zur Entscheidung über den Widerspruch nicht vollständig vorgelegt, so dass der Beklagte berechtigt gewesen sei festzustellen, dass kein Leistungsanspruch bestanden habe, da er zuvor auf die Rechtsfolgen des § 41a SGB II hingewiesen habe.
Hiergegen hat der Kl...