Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Grundsicherungsleistungen für einen Ausländer

 

Orientierungssatz

1. Die Gewährung von Grundsicherungsleistungen setzt die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers voraus. Bei Ausländern wird darüber hinaus verlangt, dass ihnen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach § 8 SGB 2 erlaubt ist oder erlaubt werden könnte.

2. Ist der Ausländer nicht tatsächlich im Besitz einer Erlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung, so kann der Grundsicherungsträger nur auf die rechtliche Situation abstellen, wie sie durch die tatsächliche Entscheidung der Ausländerbehörde geprägt ist. Er hat nicht die Befugnis, die Entscheidung der Ausländerbehörde in Frage zu stellen, sondern muss sich daran halten.

3. Auf der Grundlage einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG kann eine Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht erlaubt werden. Nur dann, wenn eine konkrete Aussicht auf Erteilung einer Erlaubnis nachgewiesen ist, ist eine rechtliche Gleichbehandlung beider Alternativen des § 8 Abs. 2 SGB 2 gestattet.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 1. Mai 2007.

Der Kläger, geboren 1950, ist usbekischer Staatsangehöriger und nach seinen Angaben von Beruf Bauingenieur. Er reiste gemeinsam mit seiner Familie nach Erteilung eines Aufnahmebescheides im August 2002 mit einem Visum in das Bundesgebiet ein und beantragte seine Anerkennung als Spätaussiedler sowie die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung. Das Anerkennungsverfahren endete negativ für den Kläger; seine Klage blieb erfolglos (VG Hamburg, Urt. v. 24.8.2005; OVG Hamburg, Beschl. v. 25.1.2010). Das Genehmigungsverfahren war unterdessen auf seinen Antrag hin ausgesetzt worden; der Kläger erhielt seit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) durchgehend Fiktionsbescheinigungen nach § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG mit der ausdrücklichen Beschränkung "Erwerbstätigkeit nicht gestattet". Seit dem 7. Mai 2009 ist der Kläger im Besitz einer Bescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG.

Der Kläger beantragte im November 2004 Leistungen nach dem SGB II, die ihm zunächst gewährt wurden, zuletzt mit Bewilligungsbescheid vom 22. November 2006 für den Zeitraum vom 1. Dezember 2006 bis 31. Mai 2007. Am 19. April 2007 beantragte der Kläger die Fortzahlung der Leistungen.

Mit Bescheid vom 21. März 2007 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II mit Wirkung vom 1. Juni 2007 auf mit der Begründung, der Kläger sei nicht im Besitz einer gültigen Arbeitserlaubnis und stehe daher entgegen § 8 SGB II dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Mit Bescheid vom 2. April 2007 hob die Beklagte die Leistungsbewilligung ab dem 1. Mai 2007 auf. In der Folgezeit ab dem 1. Juni 2007 bis heute hat der Kläger Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten.

Gegen diese Bescheide erhob der Kläger am 19. April 2007 Widerspruch mit der Begründung, nach der Beschäftigungsverfahrensordnung könne ihm eine Erwerbstätigkeit erlaubt werden, wenn er einen Arbeitsvertrag vorweise.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juni 2007 zurück. Die Fiktionsbescheinigung, in deren Besitz der Kläger sei, erlaube eine Erwerbstätigkeit ausdrücklich nicht.

Dagegen hat der Kläger am 30. Juli 2007 Klage erhoben, die er mit seinem Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren begründet hat.

Mit Urteil vom 16. Oktober 2007 hat das Sozialgericht Hamburg die Klage abgewiesen. Dem Begehren des Klägers stehe entgegen, dass er nicht erwerbsfähig sei. Denn insoweit setze § 8 SGB II bei Ausländern voraus, dass ihnen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erlaubt sei oder erlaubt werden könne. Die dem Kläger erteilten Fiktionsbescheinigungen schlössen eine Erwerbstätigkeit aber ausdrücklich aus; auch könne ihm die Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, da dies nach §§ 1, 10 der Beschäftigungsverfahrensordnung nur bei Vorliegen einer Aufenthaltserlaubnis, einer Aufenthaltsgestattung oder einer Duldung nach § 60a AufenthG möglich sei. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung für Mai 2007 sei nach § 45 Abs. 2 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gerechtfertigt, da zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 2. April 2007 noch keine Leistungen für Mai ausgezahlt worden seien.

Mit der am 16. November 2007 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, dass ihm die Erwerbstätigkeit nach dem Aufenthaltsgesetz jederzeit hätte erlaubt werden können, nämlich in Form einer begünstigenden Nebenbestimmung zu der Fiktionsbescheinigung nach § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG. Im Übrigen hätte er einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit der Möglichkeit einer Beschäftigungsaufnahme besessen.

Nach Aufhebung des Bescheides vom 21. März 2007 in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2010 durch die Beklagte beantragt der Kläger,

das Urteil des Sozialgerichts Hamb...

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