Nachgehend

BSG (Beschluss vom 16.01.2019; Aktenzeichen B 2 U 222/18 B)

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines wiederholten Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) über einen Anspruch auf Rente wegen einer Berufskrankheit (BK) Lärmschwerhörigkeit (BK Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BK 2301) bzw. Nr. 50 der Liste der BKen nach dem Recht der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR)) und dabei insbesondere, ob eine in der DDR nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. gezahlte Rente überzuleiten ist.

Dem in der damaligen DDR langjährig im Schiffbau tätigen, am xxxxx 1936 geborenen Kläger wurde vom Kreisvorstand B. des F. - Verwaltung der Sozialversicherung der DDR - wegen einer auf die berufliche Lärmexposition zurückgeführten Hörstörung mit Tinnitus mit Bescheid vom 11. Mai 1970 eine Unfall-Rente nach einer MdE um 20 v.H. bewilligt und bis zu seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) am 16. August 1989 gezahlt. Der Kläger wurde auf seinen Antrag vom Oktober 1987 hin aus der DDR-Staatsbürgerschaft entlassen und in der BRD als "Sowjetzonenflüchtling" nach § 3 Bundesvertriebenengesetz anerkannt (Vertriebenenausweis des Magistrats der Stadt Bremerhaven vom 9. Januar 1991).

Am 3. Juli 1991 stellte der Kläger bei der Bundesausführungsbehörde der Unfallversicherung (B1, ab 2003: Unfallkasse des B2, 2015 mit der E.-Unfallkasse fusioniert zur Unfallversicherung B.) in W. einen - als Dokument nicht mehr auffindbaren - Antrag auf Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die B1 teilte dem Kläger mit Schreiben vom 12. Juli 1991 mit, dass sie das für seinen Wohnort zuständige Versicherungsamt gebeten habe, ihn vorzuladen und von ihm eine Erklärung entgegenzunehmen. Sie wies darauf hin, dass Ansprüche nach dem Fremdrentengesetz (FRG) originär festzustellen seien, d.h. es sei unabhängig von früheren Entscheidungen durch den ursprünglich zuständigen Versicherungsträger des Herkunftslandes ein neues Verwaltungsverfahren durchzuführen, weil in Ländern außerhalb des Geltungsbereiches des FRG die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abweichend von den gesetzlichen Vorschriften der BRD beurteilt würden. Der Kläger werde gebeten, zur Glaubhaftmachung der nach dem FRG erheblichen Tatsachen entsprechende Beweismittel vorzulegen.

In dem daraufhin durchgeführten Verwaltungsverfahren reichte der Kläger zunächst mit Datum vom 26. November 1991 bei der N.-Berufsgenossenschaft, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, einen ausgefüllten mehrseitigen Antragsvordruck auf Gewährung einer Rente nach dem FRG ein. Im weiteren Verlauf kam der Arzt für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, Stimm- und Sprachstörungen, Allergologie Dr. M. nach Untersuchung des Klägers am 24. April 1992 in seinem Gutachten vom 27. April 1992 zu dem Ergebnis, dass eine Lärmschwerhörigkeit beidseits im Sinne einer Hochtonschwerhörigkeit als Ausdruck eines Haarzellschadens entsprechend der BK 2301 vorliege. Diese sei nach den einschlägigen Bewertungskriterien (hier: Königsteiner Merkblatt) allerdings - bei gegenüber den seit 1969 erstellten Vorgutachten im Wesentlichen unveränderten Befunden - nicht wie von den Gutachtern in der damaligen DDR als gering- bis mittelgradig einzustufen, sondern als Normalhörigkeit, sodass sich auch unter Berücksichtigung des störenden Tinnitus eine MdE um 0 v.H. ergebe. Da der Kläger nicht mehr im Lärm tätig sei, sei eine weitere lärmbedingte Verschlechterung des Hörvermögens nicht zu erwarten

Mit Bescheid vom 2. Juni 1992 erkannte die N1-Berufsgenossenschaft als eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten (im Folgenden daher auch: Beklagte) dementsprechend das Vorliegen einer BK 2301 an, lehnte aber die Gewährung einer Rente ab, weil die MdE nicht um mindestens 20 v.H. gemindert sei. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 FRG sei ein möglicher Entschädigungsanspruch nach den maßgeblichen bundesrechtlichen Vorschriften für die gesetzliche Unfallversicherung zu prüfen, was zur Folge habe, dass Beurteilungen von Ärzten oder Behörden nach den Bestimmungen der ehemaligen DDR nicht übernommen werden könnten. Den hiergegen unter Hinweis auf die nach Ansicht des Klägers erheblicheren berufskrankheitenbedingten Gesundheitsschäden eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 1992 zurück. Eine Klage wurde nicht erhoben.

Am 13. Oktober 2006 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheids vom 2. Juni 1992 nach § 44 SGB X. Nach den gemäß § 215 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) nach wie vor anwendbaren §§ 1150 Abs. 2 Satz 1, 1154 Reichsversicherungsordnung (RVO) sei die vom FDGB festgestellte MdE um 20 v.H. zu übernehmen und ihm daher eine Rente wegen der BK Lärmschwerhörigkeit zu gewähren. Nach Art. 19 des Einigungsvertrags zwischen de...

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