Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags auf der Grundlage von Provisionsansprüchen

 

Orientierungssatz

1. Bei der Berechnung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags ist hinsichtlich des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts auf das sog. Entstehungsprinzip abzustellen. Entscheidend ist, welches Arbeitsentgelt aus rechtlichen Gründen geschuldet ist. Maßgeblich ist hierbei die arbeitsrechtliche Betrachtung.

2. Sieht eine zwischen den Parteien geschlossene vertragliche Regelung eine provisionsabhängige Entlohnung vor, die in der Annahme getätigt wurde, es handele sich um eine selbständige Tätigkeit, so führt dieser Umstand nicht dazu, dass der geschlossene Vertrag seine Wirksamkeit verliert (BAG Urteil vom 12. 12. 2001, 5 AZR 257/00).

3. Ein rein provisionsgebundenes Entgelt ohne feststehendes Fixum ist auch im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses grundsätzlich zulässig. Eine solche Vereinbarung ist nur dann für eine tatsächlich abhängige Beschäftigung nicht anwendbar, wenn sie unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage für einen Beteiligten nicht zumutbar ist.

4. Bei der Vereinbarung einer rein provisionsabhängigen Entlohnung wird das betriebliche Risiko in zulässiger Weise zu einem großen Teil auf den Arbeitnehmer übertragen. Wesentlich für eine zulässige Zugrundelegung der hierdurch erzielten Einkünfte auf den zu entrichtenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist, dass mit ihnen bei vollem Arbeitseinsatz ein zumutbares Einkommen erzielt werden kann.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 28.11.2017; Aktenzeichen B 12 KR 22/17 B)

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des der Berechnung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zugrunde zulegenden Arbeitsentgelts für die vom Kläger bei dem Beigeladenen zu 1. im Zeitraum vom 8. Juli 1997 bis 31. Mai 2004 verrichtete Tätigkeit.

Der 1941 geborene Kläger war bis ins Jahr 1997 als selbständiger Handelsvertreter tätig und seit geraumer Zeit bei der Beklagten gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Ab 8. Juli 1997 trat er in ein Vertragsverhältnis mit der Beigeladenen zu 1 ... Es wurde unter Hinweis auf §§ 84 ff Handelsgesetzbuch (HGB) ein sogenannter Handelsvertretervertrag geschlossen, der dann im Jahre 1999 in einigen Punkten abgeändert wurde. Nach dem Vertrag bestand das Gehalt des Klägers im Wesentlichen in einer 8%igen bzw. 10%igen Provision auf die von ihm vermittelten Aufträge. Der Kläger gab gegenüber der Beklagten an, selbständig tätig zu sein, und legte Einkommenssteuerbescheide zur Ermittlung der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung vor.

Als die Beigeladene zu 1. im November 2003 das Vertragsverhältnis gegenüber dem Kläger zu Ende Mai 2004 kündigte, erhob der Kläger Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Hamburg, da er nach rechtlicher Beratung nunmehr die Auffassung vertrat, dass tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vorgelegen habe und der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung hätte eingeschaltet werden müssen.

Das Arbeitsgericht Hamburg wies die Klage mit Urteil vom 3. August 2004 (Az.: 2 Ca 39/04) ab, da zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. kein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Die vom Kläger dagegen eingelegte Berufung führte zum Erfolg. Mit Urteil vom 3. November 2005 (Az.: 2 Sa 80/04) stellte das Landesarbeitsgericht Hamburg fest, dass ein Arbeitsverhältnis vorliege, da der Kläger wegen der vertraglichen Verpflichtung, das zur Verfügung gestellte Adressmaterial lückenlos zu bearbeiten und entsprechende Kundenbesuche durchzuführen, seine Arbeitszeit nicht frei habe bestimmen können. Diese Verpflichtungen sei auch überwacht worden und es seien Abmahnungen ausgesprochen worden. Im Übrigen seien konkrete Weisungen im Einzelfall erfolgt.

Daraufhin führte der Kläger mehrere Rechtsstreite vor dem Sozialgericht Hildesheim, dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen und dem Bundesozialgericht. Auslöser war unter anderem der Bescheid vom 16. November 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2007, mit dem die Beklagte feststellte, dass der Kläger ab 8. Juli 1997 in einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe und die Beigeladene zu 1. ab 1. Dezember 1999 zur Abführung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen verpflichtet sei. Die hiergegen von der Beigeladenen zu 1. vor dem Sozialgericht Hamburg zum Aktenzeichen S 23 KR 95/07 erhobene Klage wurde zurückgenommen.

In den Verfahren S 20 KR 24/07 bzw. L 4 KR 137/11 vor dem Sozialgericht Hildesheim und dem Landesozialgericht Niedersachsen-Bremen begehrte der Kläger dann zum einen, die Beklagte zu verpflichten, auch für den Zeitraum 8. Juli 1997 bis 30. November 1999 Gesamtsozialversicherungsbeiträge von der Beigeladenen zu 1. einzuziehe...

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