Entscheidungsstichwort (Thema)
Persönliche Voraussetzungen zur Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Orientierungssatz
Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist u. a. , dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten erheblich gefährdet oder gemindert ist. Bei Innenohrschwerhörigkeit und Tinnitus kann durch das Tragen von Gehörschutz eine Lärmbelastung am Arbeitsplatz eines Bausanierers bzw. einer Bautenschutzfachkraft vermieden und dieser Beruf weiter ausgeübt werden. Dadurch verringert sich Maschinenlärm von 100 Dezibel auf bis zu 40 Dezibel. Die persönlichen Voraussetzungen zur Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind in einem solchen Fall nicht erfüllt.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 3. Oktober 2008 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Der gegenwärtig 52 Jahre alte Kläger war nach einer Mitte der siebziger Jahre durchlaufenen Berufsausbildung als Betonbauer erwerbstätig und nach Erwerb der entsprechenden Zusatzqualifikation Mitte der achtziger Jahre als Bautenschutzfachkraft bzw. Bausanierer. Während seiner Beschäftigung bei der Fa. A. vom 22. Mai 1991 bis zu ihrer betriebsbedingten Beendigung zum 31. Dezember 2004 hatte er Stemm-, Spachtel-, Korrosionsschutz-, Maler- und Helferarbeiten verrichtet und war insbesondere bei der Betonsanierung durch die Arbeit mit Stemmhammer und Presslufthammer Lärmbelastungen ausgesetzt. Anschließend hat er bei der Firma I. vom 6. Juni bis zum 14. Sept. 2005 Baunebentätigkeiten zur Vorbereitung von Sanierungen und andere Arbeiten im Rahmen des Unternehmensgegenstandes "Dienstleistung und Service rund ums Haus" verrichtet. Gegenwärtig ist er bei einer Zeitarbeitsfirma in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen beschäftigt. Eine arbeitsmedizinische Untersuchung durch Dr. C. vom Arbeitsmedizinischen Dienst der Beigeladenen im März 1995 ergab, dass beim Kläger eine Hochtonschwerhörigkeit bestand. Dr. C. teilte den Kläger mit, dass keine gesundheitlichen Bedenken gegen die derzeitige (lärmbelastete) Tätigkeit bestünden unter der Voraussetzung, dass er bei Arbeiten im Lärmbereich konsequent Gehörschutz trage. Er wies den Kläger darauf hin, dass er Sprache auch beim Tragen von Gehörschutz ausreichend verstehe bzw. verstehen werde. Inhaltsgleiche Mitteilungen ergingen an ihn nach arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen im April 1998 sowie im Juli 2001. Mittlerweile hatte die Beigeladene mit Bescheid vom 15. Juli 1999 beim Kläger eine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit im Sinne von Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anerkannt. Grundlage waren Ermittlungen ihres technischen Aufsichtsdienstes sowie das Gutachten des Dr. P., Chefarzt der Hals-Nasen-Ohren-(HNO)-Klinik des Allgemeinen Krankenhauses S. (Hamburg) vom 25. Februar 1999, der eine berufsbedingte Innenohrhochtonschwerhörigkeit mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um weniger als 10 v. H. festgestellt hatte, sowie die Stellungnahme des staatlichen Gewerbearztes Z. vom 21. April 1999.
Mitte August 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen zur Teilhabe in der Gestalt von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Der Arzt für HNO-Erkrankungen Dr. W. attestierte die Notwendigkeit von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wegen Tinnitus und Innenohrschwerhörigkeit. Als gesundheitliche Beschwerden führte der Kläger im Antrag auf medizinische Leistungen unerträgliche ständige Ohrgeräusche, Schlaflosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Konzentrationsstörungen an. Als besondere Probleme und Belastungen im beruflichen Bereich bezeichnete er auf entsprechende Fragen zum einen eine seit Jahren bestehende ständige Lärmexposition durch Kompressoren, Presslufthämmer und Bohrmaschinen. Das Tragen von Gehörschutz sei aus organisatorischen Gründen nicht immer durchführbar. Zum anderen verwies er auf eine seit Jahren bestehende Angst vor der Arbeitslosigkeit. Wegen der aktuell erfolgten Kündigung habe er Existenzangst. Seither sei es zu einer Zunahme des Tinnitus mit Schlaflosigkeit und Konzentrationsstörungen gekommen.
Der Arzt für HNO-Erkrankungen Dr. B. kam aufgrund der von der Beklagten veranlassten Untersuchung des Klägers am 8. Oktober 2004 in seinem schriftlichen Gutachten vom 10. Oktober 2004 zum Ergebnis, die medizinischen Voraussetzungen für die Kostenübernahme von Leistungen zur Teilhabe lägen nicht vor, denn der Kläger könne die Anforderungen seiner derzeitigen Tätigkeit als Bausanierer und Betonbauer erfüllen. Bei ihm bestehe beiderseits ein normales Hörvermögen, das im Hochfrequenzbereich des Tonaudiogramms beiderseits symmetrisch eingeschränkt sei und dort von subjektiven störenden Ohrgeräuschen begleitet werde. Im Vorderg...