Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs wegen der Folgen einer nach Nr. 2301 BKV anerkannten Lärmschwerhörigkeit
Orientierungssatz
1. Bei einer berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit besteht Anspruch auf Entschädigung wegen der Folgen einer nach Nr. 2301 BKV anzuerkennenden Schwerhörigkeit, wenn entsprechend § 56 Abs. 1 SGB 7 eine lärmbedingt mindestens geringgradige Schwerhörigkeit auf einem Ohr (20 bis 40 % Hörverlust) und eine lärmbedingt mindestens mittelgradige Schwerhörigkeit auf dem anderen Ohr (40 bis 60 % Hörverlust) besteht.
2. Bei einem beidseitigen Hörverlust von 15 % wird die nach § 56 Abs. 1 S. 1 SGB 7 für die Gewährung von Versichertenrente erforderliche Mindest-MdE von 20 % nicht erreicht. Ein Begleittinnitus kann nach den Königsteiner Empfehlungen mit einer MdE von bis zu 10 % berücksichtigt werden. Dies hat im Rahmen einer integrierenden MdE-Bewertung zu erfolgen.
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), Entschädigungsleistungen wegen des Unterlassens einer Tätigkeit und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben aufgrund einer Lärmschwerhörigkeit und Tinnitus.
Bei dem am 28. Oktober 1959 geborenen Kläger wurde mit Bescheid vom 12. Juni 2012 eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) (Lärmschwerhörigkeit) anerkannt. Ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wurde abgelehnt. Vorausgegangen war ein hno-ärztliches Gutachten von Dr. E. vom 20. April 2012. Der Kläger habe von 2000 bis zum 31. November 2011 als Stanzmaschineneinrichter gearbeitet. Der Tinnitus liege bei 4 kHz. Eine C5-Senke bestehe beidohrig bis 40 dB, wobei ein normales Mitteltongehör vorliege. Der Tieftonbereich sei beidseits um 15 dB abgesenkt. Aus dem Tonschwellenaudiogramm errechne sich kein Hörverlust, aus dem Sprachaudiogramm rechts von 10 % und links von 20 %. Die bestehende depressive Erkrankung verstärke die Tinnituswahrnehmung und beeinträchtige dessen Verarbeitung. Die MdE betrage weniger als 10 v. H. Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Der Nervenarzt Dr. R. bestätigte mit Attest vom 12. Februar 2013, dass die psychovegetative Symptomatik (Schlafstörungen, teilweise Ängste und Zurückgezogenheit, Konzentrationsstörungen) beim Kläger zunähmen. Tinnitus und Hörverlust seien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Ursache für die Verschlechterung der vegetativen Symptomatik. Im sich anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren erstattete Dr. C. ein hno-ärztliches Gutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Nach der BERA (Hirnstammaudiometrie) liege keine Latenzverlängerung vor. Eine Hörgeräteversorgung sei erforderlich. Die MdE betrage 15 v. H. Tonaudiometrisch liege eine geringe Schwerhörigkeit von rechts 10 v. H. und links von 20 v. H. vor. Der durch die Tätigkeit verursachte Tinnitus liege schwellennah bei 4 kHz. Der Tinnitus verstärke die psychischen Probleme des Klägers. Der Kläger sollte nicht mehr im Lärmbereich arbeiten. In einer beratungsärztlichen Stellungnahme wies Dr. Es. darauf hin, dass sich der geringfügige Tieftonhörverlust innerhalb von 15 Monaten erheblich verschlimmert habe. Dies sei nicht durch berufliche Lärmeinflüsse zu erklären. Bei einer derartigen Tieftonschwerhörigkeit könne man das Sprachaudiogramm nicht zur Grundlage der Ermittlung des prozentualen Hörverlustes bzw. des Grades der Schwerhörigkeit machen, weil der nicht beruflich bedingte Tieftonhörverlust bei der Aufzeichnung des Sprachaudiogramms mitbewertet werde. Der beruflich bedingte Hörverlust aus dem Tonschwellenaudiogramm ergebe noch einen Hörverlust von 0 v. H. Der Tinnitus sei wesentlich durch die Depression bedingt. Nach den Königsteiner Empfehlungen betrage die MdE noch unter 10 v. H.
In der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht Hamburg vom 8. Oktober 2015 im Verfahren (S 36 U 175/14) um die Übernahme eines Eigenanteils für eine Hörgeräteversorgung beantragte der Kläger bei der Beklagten, seine Depression als weitere Folge der Berufskrankheit anzuerkennen, ihm eine Rente wegen einer MdE von mindestens 20 v. H. sowie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben aufgrund der lärmbedingten Aufgabe seiner bisherigen Tätigkeit und seines Minderverdienstes in der neuen Tätigkeit zu gewähren.
Dr. C. erstattete am 8. August 2016 im sich anschließenden Verwaltungsverfahren ein weiteres Gutachten. Der Tieftonabfall sei nicht lärmbedingt und müsse als Vorschädigung gewertet werden. Die lärmbedingte MdE, einschließlich des Tinnitus, sei mit 15 v. H. zu bewerten. Eine weitere Verschlimmerung sei nur bei weiterer Lärmarbeit zu erwarten, wenn kein sachgerechter Gehörschutz getragen werde. Es bestünden keine gesundheitlichen Bedenken gegen Lärmarbeit, wenn sachgerechter Gehörschutz getragen werde, wobei ein s...