Leitsatz (redaktionell)

1. Wird in einem Befangenheitsantrag nicht benannt, gegen welchen Richter er sich richtet, ist das Ablehnungsgesuch unzulässig. Ebenso unzulässig ist es, wenn die Begründung zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist, etwa wenn keinerlei substantiierte Tatsachen vorgetragen werden oder nur Tatsachen, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt begründen lassen.

2. Eine Anfechtungsklage ist unzulässig, wenn der Kläger nur die der Entscheidung zugrunde gelegten medizinischen Beurteilungen und Diagnosen angreift. Diese stellen lediglich Begründungselemente dar, die einer isolierten Anfechtung nicht zugänglich sind.

3. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern würde oder ein einfacherer Weg zur Erreichung des Klageziels zur Verfügung steht. Die Aufhebung einer Rentenbewilligung aufgrund von Erwerbsminderung würde die Stellung des Klägers verschlechtern und kann daher nicht gerichtlich beantragt werden.

 

Normenkette

SGB VI § 43 Abs. 2; SGG §§ 60, 54 Abs. 1 S. 1; SGB X § 31

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 08.01.2024; Aktenzeichen B 5 R 85/23 AR)

BSG (Beschluss vom 07.09.2023; Aktenzeichen B 5 R 14/23 BH)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1957 geborene Kläger beantragte nach Aufforderung des Jobcenters am 15. September 2015 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er gab dazu an, er halte sich seit dem 8. März 2015 wegen psychischer Probleme für erwerbsgemindert. Er könne etwa 4 bis 5 Stunden täglich arbeiten. Seine psychische Vorgeschichte sei horrend, er habe einfach zu viel erlebt mit zwei Abhängigkeiten von legalen weichen Drogen sowie der Einnahme von Neuroleptika über jeweils 4 Jahre.

Die Beklagte holte einen Befundbericht des behandelnden Hausarztes Dr. M. vom 26. November 2015 ein, der die Diagnosen einer chronischen Psychose sowie Asthma bronchiale enthält. Die Beklagte beauftragte sodann die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie A. mit der Erstellung eines Gutachtens. Diese diagnostizierte nach Untersuchung des Klägers in ihrem Gutachten vom 22. April 2016 einen Residualzustand einer chronischen Psychose mit persistierenden Basisstörungen, vor allem in Form von Konzentrationsstörungen und formalen Denkstörungen (ICD 10: F20.5) sowie Asthma Bronchiale (ICD 10: J 45.9.) Sie führte aus, der Kläger habe bereits in den ersten Minuten der Begutachtung das Vollbild einer chronischen residualen Psychose gezeigt mit etwas skurrilem Auftreten, einer assoziativen Lockerung im formalen Denken, umständlichen, weitschweifigen Darlegungen von verschiedenen Geschehnissen in seinem Leben, zum Teil Danebenreden. Eine chronologische Untersuchung, vor allem in Bezug auf die biografische Anamnese habe aufgrund der relevanten Einschränkungen der Selbstwahrnehmungsfähigkeit, der Mentalisierungsfähigkeit und der Symbolisierungsfähigkeit nicht ausreichend durchgeführt werden können. Ohne Frage sei eine Leistungsfähigkeit für den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht gegeben.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 1. Juni 2016 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab 1. September 2015 bis zum 31. Mai 2023 (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze).

Der Kläger erhob dagegen Widerspruch mit der Begründung, beide Diagnosen im Gutachten der Sachverständigen A. seien falsch. Das Gutachten weise viele Fehler auf, insbesondere sei nicht erwähnt worden, dass ihm nach einem 180 Tage in 11 Monaten andauernden Hungerstreik 4 Jahre lang das Neuroleptikum R. gegen Schizophrenie verabreicht worden sei. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass er vom 5. September 2013 bis 5. März 2015 für 20 Stunden wöchentlich in Arbeitsgelegenheiten beschäftigt gewesen sei.

Die Beklagte wies ihn darauf hin, dass sich die Begründung des Widerspruchs nicht gegen die Regelungen des Bescheides, sondern gegen die diesem zugrunde liegenden medizinischen Diagnosen richte. Ein Widerspruch sei jedoch nur gegen die Regelungen zur Rentenart, Rentenhöhe oder Beginn und Dauer des Rentenanspruchs zulässig.

Nach erfolgter Akteneinsicht teilte der Kläger mit, die sozialmedizinische Beurteilung gehe bezüglich der zuletzt ausgeübten Tätigkeit fälschlich von der eines Hilfsarbeiters aus. Es habe sich aber um eine Arbeitsgelegenheit (2. Arbeitsmarkt) für 20 Stunden wöchentlich gehandelt, und zwar wegen aus gesellschaftlichen Umständen resultierender medizinisch verordneter Drogenabhängigkeit und demenzieller Mutter in M1. Er habe ab 15. August 2016 einen 450 €-Job als Helfer angetreten, den er weiterhin ausübe. Das Asthmaspray habe er im Juni an den Deutschen Bundestag geschickt. Dem Schreiben war eine Anmeldung beim Patentamt für ein Trainingsschachbrett be...

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