Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit bei Gesellschafter-Geschäftsführern einer Steuerberatungsgesellschaft. Beurteilung ausschließlich der Geschäftsführertätigkeit. Übernahme selbstschuldnerischer Bürgschaft, Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Tantieme sowie Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot kein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit
Orientierungssatz
1. Bei Gesellschafter-Geschäftsführern einer Steuerberatungsgesellschaft, die weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine Sperrminorität verfügen, ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
2. Dass der Beruf des Steuerberaters zu den freien Berufen gehört, steht der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Gegenstand der Beurteilung ist nicht die mandatsbezogene Tätigkeit als Steuerberater, sondern die Geschäftsführertätigkeit.
3. Ebenso wenig vermag die Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft (vgl BSG vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R = BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17) oder die Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Tantieme (vgl BSG vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R) für sich genommen eine abhängige Beschäftigung ausschließen. Auch der Umstand, dass der Geschäftsführer vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war, spricht nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit (vgl BSG vom 6.3.2003 - B 11 AL 25/02 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 1).
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Sozialversicherungspflicht des Klägers.
Die K. B. GmbH Steuerberatungsgesellschaft, eine Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2, wurde am 12. Oktober 2006 gegründet. Am 22. November 2006 wurde sie in B. + K. GmbH Steuerberatungsgesellschaft umbenannt. Das Stammkapital betrug 27.000 EUR. Der Kläger, ein seinerzeit 36-jähriger Dipl.-Kaufmann und Steuerberater, war einer von fünf Gesellschaftern. Er hielt einen Anteil von 25 Prozent. Der nur wenig ältere Mitgesellschafter A.K. hielt ebenfalls einen Anteil von 25 Prozent. Die übrigen Gesellschafter, die seinerzeit jeweils über 50 Jahre alt waren, hielten zusammen einen Anteil von 50 Prozent. Letztere waren zugleich Gesellschafter einer anderen Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2, der T. GmbH, die bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten als Steuerberatungsgesellschaft existierte. Sowohl der Kläger als auch die übrigen Gesellschafter übernahmen jeweils gegenüber der D. Bank eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 482.750 EUR. Sicherungsgegenstand waren sämtliche Ansprüche der Bank gegen die B. + K. GmbH Steuerberatungsgesellschaft aus zwei Kreditverträgen vom 12. Dezember 2006.
Der Kläger wurde aufgrund des "Anstellungsvertrags Geschäftsführer" vom 20. Dezember 2006, auf den vollumfänglich Bezug genommen wird, ab dem 1. Januar 2007 zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der B. + K. GmbH Steuerberatungsgesellschaft bestellt. Weiterer Geschäftsführer war Herr K .. Nach § 6 Abs. 6 des Gesellschaftervertrags, auf den vollumfänglich Bezug genommen wird, waren die Geschäftsführer zur Beachtung der Weisungen der Gesellschafterversammlung verpflichtet. Nach § 9 Abs. 3 des Gesellschaftervertrags wurden Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst, dabei wurde nach Geschäftsanteilen abgestimmt und je 50 EUR eines Geschäftsanteils eine Stimme gewährt.
Bereits am 1. Dezember 2006 war bei der Beklagten, bei der der Kläger zu diesem Zeitpunkt krankenversichert war, ohne Anschreiben ein vom Kläger ausgefüllter "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH im Rahmen eines Anfrageverfahrens gemäß § 7a Abs. 1 S. 2 SGB IV" eingegangen. Nachdem sie die Clearingstelle der Beigeladenen zu 1 beteiligt hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 28. August 2007 fest, der Kläger sei in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der B. + K. GmbH Steuerberatungsgesellschaft seit dem 1. Januar 2007 in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig. Er könne aufgrund seiner Kapitalbeteiligung die Geschicke der GmbH nicht maßgeblich beeinflussen. Er trage auch kein Unternehmerrisiko; bei einem Anspruch auf ein jährliches Gehalt in Höhe von 71.500 EUR sei der Erfolg der eingesetzten Arbeitskraft nicht ungewiss. Die vertraglich vereinbarten Urlaubs- und Kündigungsregelungen sowie die Regelung zur Fortzahlung des Arbeitsentgeltes im Krankheitsfall seien ebenfalls Indizien für eine abhängige Beschäftigung.
Zur Begründung seines Widerspruchs führte der Kläger unter anderem aus, aufgrund des engen Vertrauensverhältnisses zwischen den Gesellschaftern, die sich bereits seit vielen Jahren persönlich und fachlich kennen würden, würden ihm keine Weisungen erteilt. Er sei hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit ungebunden...