Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagerücknahmefiktion bei Nichtbetreiben des Verfahrens. Auskunftsanspruch zur Mitteilung von Rechtsgrundlagen
Orientierungssatz
1. Nach § 102 Abs. 2 SGG gilt die Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Die Frist ist eine Ausschlussfrist. Infolgedessen ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich. Eine dennoch ergangene Entscheidung des Sozialgerichts ist nichtig und zur Beseitigung des Rechtscheins aufzuheben.
2. Für eine Leistungsklage auf einen allgemeinen Auskunftsanspruch zur Mitteilung von Rechtsgrundlagen setzt die hierzu erforderliche Klagebefugnis die schlüssige Darlegung des Klägers voraus, dass er in eigenen Rechten betroffen ist.
Tenor
1. Der Gerichtsbescheid vom 23. August 2018 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das Verfahren durch Rücknahme der Klage beendet worden ist.
2. Außergerichtliche Kosten sind im Klage- und Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über ein Auskunftsersuchen gegenüber der Beklagten.
Der am … 1966 geborene Kläger hat am 9. August 2016 Klage beim Sozialgericht Hamburg gegen die Beklagte und das Jobcenter team.arbeit. h. (im Folgenden: Jobcenter) erhoben. Das Verfahren gegen das Jobcenter ist unter einem anderen Aktenzeichen einer für dieses Rechtsgebiet zuständigen Kammer erfasst worden. Der Kläger hat beantragt, dass die Beklagte zu verpflichten sei, ihn zu informieren, nach welcher Sozialgesetzgebung sie berechtigt sei, Sozialdetektive mit Nachforschungen über Leistungsbezieher zu beauftragen. Seinen Antrag hat er damit begründet, dass eine frühere Bekannte von ihm aus B. in der Reha-Abteilung der Beklagten arbeiten würde und seinen Fall als Vertretung im Dezember 2014 übernommen habe, ohne sich zu erkennen zu geben. Die betreffende Bekannte halte sich regelmäßig bei seinen Nachbarn auf, die sich über seine Sachverhalte bei der Beklagten und dem Jobcenter unterhalten würden. Die Nachbarn wiederum würden auch regelmäßig Informationen über Geschehnisse aus beiden Ämtern an Dritte weitergeben. Darüber hinaus bestehe zwischen der früheren Bekannten und seiner Verwandtschaft, mit der er seit fast 20 Jahren zerstritten sei, intensiver Kontakt und es würden Informationen über seine Privatsphäre und seine Amtsgeschäfte weitergegeben. Er beabsichtige, nach Erhalt der Informationen über die Rechtslage bezüglich der Sozialdetektive Klage gegen diese Verstöße zu erheben.
Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass der Vortrag des Klägers unsubstantiiert sei. Es werde nicht vorgetragen, wie die Bekannte heiße und welche konkreten Sozialdaten an wen weitergegeben worden seien.
Der Kläger hat darauf erwidert, dass Angaben zu involvierten Personen nicht erfolgen würden, da dies für diese Klage vollkommen irrelevant sei. Er begehre lediglich, über die rechtliche Grundlage zur Beauftragung von Sozialdetektiven informiert zu werden. Er habe auch nicht beantragt oder erwartet, dass die Beklagte zu seinen Angaben zu den Hintergründen seiner Klage Stellung nehme.
Das Sozialgericht Hamburg hat den Kläger mit Schreiben vom 23. März 2017 auf die Vorschrift des § 67a des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) hingewiesen und angefragt, ob sich das Auskunftsbegehren des Klägers damit erledigt habe. Nachdem der Kläger auch auf Erinnerungen vom 10. April 2017 und 27. April 2017 nicht reagiert hatte, hat das Sozialgericht dem Kläger eine Aufforderung vom 24. Mai 2017 nach § 102 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) übersandt. Das Gericht habe erhebliche Zweifel daran, ob dem Kläger noch an einer Entscheidung in der Sache gelegen sei, da er die gerichtlichen Schreiben vom 23. März 2017, 10. April 2017 und 27. April 2017 nicht fristgemäß beantwortet habe. Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG gelte eine Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibe. Es werde daher für das Betreiben des Verfahrens eine Frist von drei Monaten nach Zustellung dieses Schreibens gesetzt. Sollte das Gericht binnen dieser Frist nichts vom Kläger hören, sei das Verfahren erledigt. Die entsprechende gerichtliche Verfügung und auch das Aufforderungsschreiben selbst sind vom Vorsitzenden mit vollem Namen unterzeichnet worden. Dem Kläger ist von dem Aufforderungsschreiben am 27. Mai 2017 eine beglaubigte Kopie zugestellt worden.
Der Kläger hat am 29. August 2017 (Dienstag) ein Schreiben vom gleichen Tag betreffend das gerichtliche Schreiben vom 24. Mai 2017, das ihm am 27. Mai 2017 zugestellt worden sei, bei Gericht eingereicht. Sein Auskunftsersuchen sei nicht erfüllt. Denn § 67a SGB X erlaube keine Unternehmungen wie z. B. Postdiebstahl, Abfangen von E-Mails, Denunziation oder Observationen bis zu Reisen. Außerdem möchte er darauf aufmerksam machen, dass er lediglich darum gebeten habe, dass die Beklagte ihm die Rechtsgrundlage für den Einsatz von Sozialdetektiven ...