Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. selbst genutztes Hausgrundstück. grundsätzliche Berücksichtigungsfähigkeit von Straßenbaubeiträgen. Selbsthilfeobliegenheit. Nichtbeantragung von Stundung oder Erlass
Orientierungssatz
1. Straßenbaubeiträge sind grundsätzlich im Monat ihrer Fälligkeit als Kosten für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen.
2. Dem Anspruch auf Übernahme der angemessenen Unterkunftskosten steht nicht entgegen, dass sich der Leistungsberechtigte nicht um einen Erlass oder eine Stundung des Straßenbaubeitrages bemüht hat (entgegen LSG Erfurt vom 14.3.2013 - L 9 AS 1302/10).
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schwerin vom 14. Mai 2018 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren darüber, ob der Antragsgegner den gegen die Antragstellerin für ihr selbstgenutztes Hausgrundstück festgesetzten Straßenbaubeitrag nach § 22 SGB II vorläufig zu übernehmen hat.
Die 1953 geborene Antragstellerin bewohnt allein das in ihrem Eigentum stehende Hausgrundstück W.-weg 22 in A-Stadt. Sie verfügt über kein Einkommen und steht im laufenden SGB II-Leistungsbezug bei dem Antragsgegner. Zuletzt wurde ihr mit Bescheid vom 27. November 2017 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15. Januar 2018, 1. März 2018, 13. März 2018 und 4. Juni 2018 für die Zeit von Januar bis Dezember 2018 Arbeitslosengeld II bewilligt, u. a. für März 2018 489,02 € (= 416 € Regelbedarf + 9,57 € Mehrbedarf für Warmwasserzeugung + 63,45 € Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der im März 2018 fälligen Trink- und Abwassergebühren).
Mit Heranziehungsbescheid vom 27. Dezember 2017 setzte das Amt Dorf Mecklenburg-A-Stadt gegen die Antragstellerin einen Straßenbaubeitrag in Höhe von 1.610,09 € für die Erneuerung und Verbesserung der Fahrbahn und Straßenentwässerung der W.-straße fest, der spätestens drei Monate nach Bekanntgabe des Bescheides zu zahlen sei. Nach § 7 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) sei derjenige beitragspflichtig, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des bevorteilten Grundstückes sei.
Am 23. Januar 2018 beantragte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner die Übernahme des Straßenbaubeitrages.
Mit Schreiben vom 13. März 2018 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass sie vorrangig die Beantragung des Erlasses oder die Niederschlagung der Forderung bzw. die Eintragung einer Sicherungshypothek ins Grundbuch bis zum 30. März 2018 nachzuweisen habe.
Mit Bescheid vom 3. Mai 2018 versagte der Antragsgegner die beantragte Übernahme des Kostenbeitrages für die Straßenerneuerung als einmalige Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II ab 1. Januar 2018 gemäß § 66 SGB I ganz, da die Antragstellerin die mit Schreiben vom 13. März 2018 angeforderten Nachweise nicht eingereicht habe und damit ihren Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I nicht nachgekommen sei.
Den hiergegen am 8. Mai 2018 eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2018 zurück. Die von der Antragstellerin dagegen am 4. Juli 2018 erhobene Klage ist bei dem Sozialgericht Schwerin - S 11 AS 635/18 - anhängig.
Bereits am 20. März 2018 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Schwerin den vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und zur Begründung ausgeführt, dass der Antragsgegner nach ihrer Ansicht die Kosten der Straßenerneuerung übernehmen müsse. Sie befinde sich im Leistungsbezug des Antragsgegners und könne die Kosten nicht aus eigenen Mitteln zahlen. Einem Leistungsempfänger stünden in Mecklenburg-Vorpommern monatlich ca. 385,85 € für Miete sowie Betriebskosten vom Jobcenter zu. Dies ergebe jährlich ca. 4.630 €. Sie nehme nur ca. 200 € monatlich (Betriebskosten ca. 75 € monatlich sowie ca. 1.400 € für Öl im Jahr) an Leistungen für Wohnraum in Anspruch, sodass allein durch die nicht in Anspruch genommene Differenz von ca. 2.300 € die Straßenerneuerungskosten über 1.610,09 € gedeckt und somit vom Antragsgegner zu zahlen wären.
Die Antragstellerin hat beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr unverzüglich die beantragten Kosten zur Straßenerneuerung in Höhe von 1.610 € zu gewähren.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung hat der Antragsgegner dargelegt, dass der Landkreis Nordwestmecklenburg in seiner Richtlinie zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II (KdU-Richtlinie) geregelt habe, das Anschlussgebühren ausnahmsweise übernommen werden könnten, wenn der Antragsteller nachweise, dass er sich erfolglos bei der den Gebührenbescheid erlassenden Kommune um eine Stundung, Ratenzahlung oder um die Eintragung einer Hypothek ins Grundbuch gemäß der bei der Kommune bestehenden Satzung zur Stundung, Niederschlagung und Erlass bemüht habe. Der Leistungsberechtigte habe ei...